Prozess gegen Massenmörder: Breivik zu 21 Jahren Haft verurteilt

Das Osloer Amtsgericht hat das Urteil über Anders Behring Breivik gesprochen. Der Massenmörder ist schuldfähig und muss für 21 Jahre in Haft – plus Sicherungsverwahrung.

Anders Breiviks Richter. Bild: dapd

STOCKHOLM taz | „Idømmes til forvaring“: Verurteilung zu einer Haftstrafe. Das Fazit stand am Anfang, als Richterin Wenche Elizabeth Arntzen am Freitag um 10 Uhr im Amtsgericht Oslo mit der vorab auf fünf bis sechs Stunden terminierten Verlesung des Urteil gegen Anders Behring Breivik begann.

Dieser sei als zurechnungsfähig und damit schuldfähig am Mord an 77 Menschen und dem Verstoß gegen den Terrorparagraphen des norwegischen Strafgesetzbuchs anzusehen. Die Rechtsfolge: Verurteilung zu einer 21-jährigen Haftstrafe mit einer Mindesthaftzeit von 10 Jahren – der Höchststrafe, die das Recht des Landes kennt.

Vom Gericht abgewiesen wurde damit nicht nur Breiviks eigener Antrag, mit dem er am 22. Juni, dem letzten Verhandlungstag, Freispruch verlangt hatte mit der Begründung, bei seinem „präventiven Angriff“ habe er in „Notrecht“ gehandelt, „für mein Volk, meine Kultur, meine Religion, meine Stadt und mein Land“.

Die RichterInnen folgten auch nicht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, den 33-jährigen in eine geschlossene psychiatrische Anstalt einzuweisen, weil nicht mit hinreichender Sicherheit von seiner Zurechnungsfähigkeit ausgegangen werden könne. Er habe womöglich zum Tatzeitpunkt unter einer Psychose gelitten, meinte die Anklagebehörde, weshalb nach dem Rechtsprinzip „im Zweifel für den Angeklagten“ nur die juristisch „mildere“ Strafe, also Psychiatrie statt Haft, in Betracht komme.

Nicht unzurechnungsfähig

Weil sie nun im formalen Strafwert – dass Breivik sich gegen eine Einstufung als unzurechnungsfähig wehrte, hatte für das Gericht keine Rolle zu spielen – über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgingen, waren die RichterInnen zu einer besonders umfassenden Begründung ihres Urteils gezwungen. Wohl auch ein Grund dafür, dass der urspünglich für den 20. Juli vorgesehene Verkündungstermin um fünf Wochen verschoben worden war.

Angesichts von zwei im Ergebnis widersprüchlichen psychiatrischen Gutachten, die beide von einer Fachkommission als fachgerecht abgesegnet worden waren, blieb den RichterInnen neben der Abwägung dieser Gutachten nun vor allem die Möglichkeit, ihrer eigenen Anschauung aufgrund des Verhaltens des Terroristen in den 43 Verhandlungstagen vor Gericht ausschlaggebenden Wert einzuräumen.

Gedenken an Breiviks Opfer. Bild: dapd

Der objektive Sachverhalt stand demgegenüber fest. Breivik war in vollem Umfang geständig, was seine Taten angeht. Seine Autobombe hatte am 22. Juli 2011 im Regierungsviertel von Oslo 8 Menschen getötet. Das von ihm beim Jungsozialisten-Ferienlager auf der Insel Utøya veranstaltete Massaker kostete 69 Menschenleben.

Drei Zellen

Drei Zellen zu je 8 Quadratmetern. Eine Wohn-, eine Arbeits- und eine Trainingszelle. Keinerlei Kotakt mit anderen Insassen, alle Kommunikation nach draußen wird überwacht und gegebenfalls zensiert oder verboten. Das sind die Haftbedingungen, die Anders Breivik nun im Hochsicherheitstrakt der „Ila-Gefängnis- und Verwahranstalt“ erwarten.

Südwestlich von Oslo gelegen, hat „Ila“ Geschichte. Erbaut Ende der 1930er Jahre als Frauengefängnis, benutzte Nazideutschland es zur Zeit der Besetzung Norwegens als Konzentrationslager für vorwiegend politische Häftlinge. Nach dem Krieg saßen wegen Kollaboration mit dem Feind und Landesverrat Verurteilte hier ein.

Breivik gilt als – Norwegens einziger – Häftling der höchsten Sicherheitsstufe. Die Haftbedingungen werden deshalb so streng sein, wie es das norwegische Recht überhaupt zulässt. „Ila“ selbst bezeichnet den Hochsicherheitstrakt auf seiner Website als „Gefängnis im Gefängnis“.

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