Prozess gegen Neonazis in Ballstädt: Die Angst hängt nach

Mit Gewalt überfielen Neonazis im thüringischen Ballstädt eine Kirmesgesellschaft. Nun stehen sie vor Gericht – offenbar ungeläutert.

Getrocknete Blutspritzer und Scherben auf Parkettboden

Spuren der brutalen Attacke in Ballstädt. Foto: dpa

BERLIN taz | Am Ende blieb Verwüstung. Zertrümmertes Mobiliar, Scherben, Blutflecken auf dem Saalboden. Vermummt und mit Schlaghandschuhen waren die 15 Neonazis in die Feier der Kirmesgesellschaft gestürmt. Unvermittelt hatte der Haupttäter auf die Anwesenden eingeschlagen, dann prügelten auch die anderen. Nur zwei Minuten dauerte der Angriff. Zurück blieben zehn verletzte Jugendliche, mit Platz- und Risswunden, zersplitterten Zähnen und Schädelhirntraumata.

Die Attacke im thüringischen Ballstädt vom Februar 2014 war eine der brutalsten rechtsextremen Gewalttaten der jüngsten Zeit. Seit Mittwoch nun wird den bei dem Überfall Vermummten vor dem Erfurter Landgericht der Prozess gemacht. Es sind bekannte Neonazis, 20 bis 40 Jahre alt, unter ihnen eine Frau. Viele sind einschlägig vorbestraft, in Rechtsrockbands aktiv, auch vor Gericht erscheinen sie ungeniert in Szenekleidung. Einige wohnen bis heute in dem Ort, der nur 700 Einwohner zählt: in einer Art „nationaler“ WG, im sogenannten „Gelben Haus“.

Gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor. Diese hätten „mit voller Wucht“ zugeschlagen, ein Opfer sei über einen Garderobentresen geschleudert worden, selbst ein Schlafender wurde attackiert. Als Grund für den Angriff hätten die Täter eine eingeworfene Fensterscheibe im „Gelben Haus“ angegeben.

Die Neonazis schweigen am Mittwoch zu den Vorwürfen. Stattdessen stellen ihre Anwälte Befangenheitsanträge gegen die Richter: Diese hätten bereits eine „innere Haltung“ gegen die Angeklagten, eine unparteiische Verhandlung sei nicht möglich.

Sven Adam, Anwalt eines Verletzten, spricht von einem „üblichen Manöver, ohne große Erfolgsaussichten“. Er fordert ein hartes Urteil: „Die Tat war äußerst brutal und offenbar gut vorbereitet. Dafür muss es deutliche Strafen geben, sehr deutliche.“ Es sei reiner Zufall, dass es keine schlimmeren Verletzungen gab. Für Adam hätte es auch eine Anklage wegen versuchter Tötung geben können.

Eine Zumutung für die Opfer

Die Opfer blieben dem Auftakt bewusst fern: Sie wollen erst zu ihren Aussagen erscheinen. „Sie haben bis heute Angst“, sagt Franz Zobel von „ezra“, der Thüringer Beratung für Opfer rechter Gewalt. Die letzten Monate seien für sie „eine Zumutung“ gewesen. Da die Angeklagten nicht inhaftiert waren, liefen sie den Verletzten in dem Ort wiederholt über den Weg. Auch sei beklemmend, dass das „Gelbe Haus“ bis heute fortbestehe.

Anwalt Adam hofft, dass im Prozess auch die rechtsextremen Strukturen in und um Ballstädt „ans Licht kommen“, die Angeklagten gehörten zum „harten Kern der Thüringer Neonazi-Szene“. Tatsächlich sind diese gut organisiert. Schon kurz nach dem Angriff sammelten Rechtsextreme auf Konzerten Spenden für die Angeklagten. Auch im Gericht, das noch bis September 2016 über den Fall verhandeln will, sitzen Neonazis unter den Zuhörern.

Die Kirmesgesellschaft, die im Februar 2014 eine Dankesfeier veranstaltet hatte, sprach nach dem Angriff von „einem tief sitzenden Schock“. Der, sagt Opferberater Zobel, währe bis heute. Engagement gegen rechts traue sich dort fast niemand mehr. „Die Angst hängt über dem ganzen Ort.“

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