Prozess gegen Salafist Sven Lau: Aussage unter Freunden

Ein Szene-Aussteiger bringt den Salafistenprediger Lau zum Reden. Dominic Schmitz beschreibt die Radikalisierung der Islamisten.

Sven Lau steht vor Prozessbeginn im Gerichtssaal in Düsseldorf

Lau ist wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt Foto: dpa

DÜSSELDORF taz | Am Ende des Prozesstages ergreift Sven Lau selbst das Wort. „Meinst du, dass ich gewaltbereit bin?“, fragt der Salafistenprediger den Zeugen. „Ich habe nicht gesagt, dass du gewaltbereit bist“, antwortet Dominic Schmitz. Zuvor hatte er aus einem Video zitiert: Sie seien keine Christen, die auch noch die andere Wange hinhielten, wenn sie angegriffen werden, sagt Lau darin. „Sondern dann gibt es einen Kieferbruch.“

Für Schmitz ist das ein Beleg dafür, dass Lau sich radikalisiert habe. Lau dagegen findet, Schmitz habe das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen, „Gewalt legitimiert nicht Gewalt“, sagt dieser jetzt zu Lau. „Aber Selbstverteidigung ist in Deutschland erlaubt“, kontert dieser.

Die beiden Männer, die sich am Dienstagnachmittag im Saal 2 des Hochsicherheitstrakts des Düsseldorfer Oberlandesgerichts schräg gegenübersitzen, waren einst Freunde. Zumindest dachte Schmitz das jahrelang. Heute glaubt der 28-Jährige, Lau habe ihn vor allem benutzt. Als Schmitz 2005 zum Islam konvertierte, lernte er kurz darauf Lau in einer Mönchengladbacher Moschee kennen. Lau war Konvertit wie er und damals noch weitgehend unbekannt. Doch für die jungen Männer, die er um sich scharte, war er ein Vorbild. „Sven Lau war unser Mentor, unser großer Bruder“, sagt Schmitz vor Gericht.

Fünf Jahre lang gehörte Schmitz zum harten Kern der deutschen Salafistenszene, in dieser Zeit arbeitete er eng mit Lau zusammen. Viele der Videos, die Lau als Prediger bekannt machten, nahm Schmitz auf, schnitt sie und lud sie auf YouTube hoch. Auch dadurch wurde ihre Moschee in Mönchengladbach zu einem der Hotspots der deutschen Salafistenszene.

Lau drohen 15 Jahre Haft

Dann stieg Schmitz aus. Heute ist er Zeuge vor Gericht, seinen Wohnort muss er nicht nennen, weil er bedroht wird. Lau dagegen ist angeklagt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Der 35-Jährige soll in Deutschland verlängerter Arm der in Syrien aktiven Terrororganisation Jamwa („Armee der Auswanderer und Helfer“) gewesen sein, ein Teil der Gruppe gehört inzwischen zum IS. Lau soll Ansprechpartner für Kampf- und Ausreisewillige gewesen sein und 2013 zwei Männer nach Syrien vermittelt haben. Ihm drohen bis zu 15 Jahren Haft.

Schmitz ist der erste Zeuge, der in dem Prozess aussagt. Die Angehörigen, die zuvor geladen waren, schwiegen. Schmitz gibt dem Gericht einen Einblick in das Leben der Salafistenszene, vieles davon hat er bereits in seinem Buch („Ich war ein Salafist“) beschrieben. „Geistige Brandstifter“ nennt er Lau und den bekanntesten deutschen Salafistenprediger Pierre Vogel darin.

„Für uns gab es nur Zwänge und Regeln“, sagt Schmitz vor Gericht. Zunächst sei es vor allem um Missionsarbeit gegangen, über das Thema Dschihad habe man so gut wie nicht gesprochen. „Bei 9/11 war klar, dass das abzulehnen ist und nichts mit dem Islam zu tun hat“, sagt Schmitz. Lau habe ihm gesagt, Leute, die immer über Krieg sprechen würden, ekelten ihn an. Später aber habe er sich diesen Leuten angenähert, darunter dem Verein „Die wahre Religion“ von Salafistenprediger Ibrahim Abou Nagie. Für Schmitz zeigt auch das: Lau hat sich radikalisiert.

Für die Szene sei der Tod der Ägypterin Marwa El-Sherbini, die im 2009 Dresdener Landgericht aus Hass auf den Islam von einem Russlanddeutschen erstochen wurde, ein Wendepunkt gewesen. „Die Stimmung wurde aggressiver“, erinnert sich Schmitz. Danach habe bei den Salafisten ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken geherrscht: „Alle hassen uns, nur weil wir Muslime sind.“

„Ich hatte mir mehr erhofft“, sagt Schmitz

Zu den eigentlichen Vorwürfen gegen Lau kann Schmitz nichts sagen, ab 2011 wandte er sich von Lau ab. Anlass dafür sei eine gemeinsame Pilgerreise nach Mekka gewesen, zu der ihn Lau gedrängt habe. Er habe sich darauf gefreut, viel Zeit mit Lau zu verbringen, erzählt Schmitz vor Gericht. Dort dann quartierte ihn Lau mit Fremden in ein Zimmer, die beiden Männer sahen sich kaum. „Ich hatte mir mehr erhofft. Damals begriff ich, dass das gar keine Freundschaft war.“

Interessant für das Gericht ist auch, was Schmitz über seinen Freund Konrad S. erzählt, der damals auch zu der Truppe um Lau gehörte. S. und ein weiterer Freund schlossen sich – anscheinend ohne Mithilfe Laus – laut Ermittlungen 2013 der Jamwa an, S. stieg zum Führer einer Untergruppe auf. Da habe Lau die Chance gesehen, ein Netzwerk zur Vermittlung von Kämpfern aus Deutschland aufzubauen. Von den zwei Männern, die Lau 2013 nach Syrien vermittelt haben soll, fügte sich einer in die Gruppe nicht ein. Auf Bitte von Konrad S. sei Lau nach Syrien gereist, um diesen wieder aus der Gruppe zu entfernen.

„Konrad war ein sehr, sehr guter Freund von mir und von Sven auch“, sagt Schmitz vor Gericht. Doch er sei naiv und leicht beeinflussbar. Von seinen Plänen nach Ägypten zu gehen und Arabisch zu lernen, habe S. ihm erst einen Tag vor Abreise erzählt, sagt Schmitz – wohl damit er keine Chance habe ihn zum Bleiben zu überreden. 2013 zog S. weiter nach Syrien. Der Freund habe ihn einmal aus Ägypten angerufen, zwei E-Mails geschickt. Aus Syrien habe er sich einmal per WhatsApp gemeldet. Sein Profilbild: I love Osama bin Laden. Dann brach der Kontakt ab.

„Du hast Konrad überredet nach Ägypten zu gehen und lässt ihn dann allein“, wirft Schmitz am Ende des Prozesstages Lau vor. Dabei habe er doch gewusst, wie schwach S. sei. „Ich habe niemanden überredet“, antwortet Lau knapp. Der Prozess wird am Mittwochmorgen fortgesetzt.

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