Prozess um Attentat auf Henriette Reker: Täter ist voll schuldfähig

Der Mann, der Kölns Oberbürgermeisterin Reker ein Messer in den Hals rammte, habe seine Tat als „Fanal“ geplant. Experten bescheinigen ihm die Schuldfähigkeit.

Der Angeklagte Frank S. sitzt in einem Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen).

Nach Experten-Ansicht neigt der 44-Jährige zu Verschwörungstheorien Foto: dpa

DÜSSELDORF dpa | Im Prozess um das Attentat auf Henriette Reker ist der Angeklagte nach Ansicht des psychiatrischen Gutachters voll schuldfähig. Für eine verminderte Schuldfähigkeit gebe es keine Hinweise, sagte Norbert Leygraf am Mittwoch im Düsseldorfer Oberlandesgericht. Der 44-Jährige habe seine Tat als „heroischen Befreiungsschlag“, als „Fanal“ geplant.

Der geständige Attentäter hatte der parteilosen Reker einen Tag vor ihrer Wahl zur Kölner Oberbürgermeisterin ein großes Jagdmesser in den Hals gerammt und sie lebensgefährlich verletzt. Außerdem verletzte er vier weitere Menschen.

Dem 44-Jährigen droht lebenslange Haft wegen versuchten Mordes. Als Motiv hatte er die Flüchtlingspolitik in Deutschland genannt, wie sie auch von Reker vertreten worden sei. Der Prozess wird an diesem Donnerstag fortgesetzt. Das Urteil soll am 1. Juli verkündet werden.

Gutachter Leygraf sagte, der 44-Jährige weise eine paranoid-narzisstische Persönlichkeitsstörung auf. Er sei eigensinnig, überempfindlich und von seiner schwarz-weißen Weltsicht restlos überzeugt. Wegen seiner problematischen Kindheit sehe er sich als misstrauischer Einzelkämpfer einer feindseligen Umwelt gegenüber.

Ein Meister der abwehrenden Grundeinstellung

„Seine Lebensgeschichte stand von Beginn an unter einem ausgesprochen ungünstigen Stern“, sagte Leygraf. Die leiblichen Eltern hatten Frank S. im Alter von vier oder fünf Jahren in einer Düsseldorfer Wohnung einfach zurückgelassen und waren verschwunden. „Er war auf sich allein gestellt. Ihm wurde keine besondere Wertschätzung entgegengebracht. Er hat ein Gefühl des Ausgeliefertseins entwickelt.“

Dass er in einer Pflegefamilie aufwuchs, habe er als persönlichen Makel empfunden. Er habe ein „ständiges missgelauntes Gefühl entwickelt, zu kurz gekommen, benachteiligt worden zu sein“. Für seine Kindheit treffe dies auch zweifellos zu. Später habe er sich mit seinem Verhalten ohne Rücksicht auf eigene Verluste aber immer wieder selbst geschadet, dafür aber andere verantwortlich gemacht.

In den Monaten vor der Tat habe er ein trost- und perspektivloses Leben geführt. Soziale Kontakte habe der arbeitslose Maler und Lackierer ausschließlich über das Internet geführt.

Dass der Angeklagte sich dagegen verwahrt habe, als typisch rechtsradikaler Attentäter zu erscheinen, heiße nicht, dass er dies nicht sei: Er habe acht Vorstrafen wegen Gewaltdelikten, überwiegend mit rechtsradikalem Hintergrund. Seine Hauptfeinde seien „die Antifa, die hinter allem und jedem steckt“, sowie „die Ausländer“. Er hänge diversen Verschwörungstheorien nach, die Grenze zum Wahnsinn sei aber nicht überschritten.

Seine Störung sei wegen seiner abwehrenden Grundeinstellung nur sehr schwer zu beeinflussen, eine erfolgreiche Therapie werde Jahre benötigen. Er sei ein „Meister des Ausweichens und der vagen Antworten“.

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