Prozess um Hassposts in Wien: „Arschloch“ gegen „fetter Arsch“

Sigi Maurer wehrte sich gegen sexuelle Belästigung im Netz. Dafür wurde sie verurteilt – in der Revision könnte es aber anders kommen.

Zwei Frauen sitzen an einem Tisch in einem Gerichtssaal. Sie sind einander zugewandt und unterhalten sich.

Sigrid Maurer (l), ehemalige Abgeordnete im Nationalrat für die Grünen spricht mit ihrer Anwältin Foto: dpa

Muss man sich als Frau sexuell beschimpfen lassen, ohne zurückschlagen zu dürfen? Diese Frage wird derzeit am Straflandesgericht Wien verhandelt. Vor einem Jahr war die ehemalige Grünen-Abgeordnete Sigrid Maurer nämlich wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro und weiteren 4.000 Euro als Entschädigung für den mutmaßlichen Autor einer sexistischen Beleidigung verurteilt.

Maurer war im Mai 2018 via Facebook-Messenger massiv beleidigt worden. Die Politikerin machte daraufhin einen Screenshot der Zeilen öffentlich und vermutete als Autor den Betreiber eines Craft-Beer-Lokals in Wien. Von dessen Facebook-Account war kurz vorher eine weitere Nachricht eingegangen: „Hallo, du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigegangen und hast meinen Schwanz angeguckt, als wolltest du ihn essen.“

Tatsächlich war Maurer kurz vorher an dem Lokal vorbeigekommen und sei dort von drei vor der Tür stehenden Biertrinkern mit Anzüglichkeiten belästigt worden. Unter ihnen identifizierte sie später Albert L., den Betreiber des Lokals. L. stritt alles ab und verklagte die Ex-Abgeordnete. Der Wirt hatte vor einem Jahr das Gericht überzeugen können, dass nicht er die Postings verfasst hätte. Außerdem habe er schwere wirtschaftliche Einbußen erlitten, seit er von Maurer an den virtuellen Pranger gestellt wurde.

An der Berufungsinstanz, dem Oberlandesgericht (OLG), sah man das anders. Die Argumentation des Richters, der Maurer vorgeworfen hatte, den Wahrheitsbeweis schuldig geblieben zu sein, sei nicht schlüssig. Das OLG hob das erstinstanzliche Urteil auf und ordnete eine Neuverhandlung an. Diese begann jetzt am Montag in Wien.

Stammkunden wollen es auch nicht gewesen sein

Der Privatankläger beharrte auf seiner Opferrolle. Maurer, die ihn auf Twitter als „Arschloch“ bezeichnet habe, habe sich der üblen Nachrede und Kreditschädigung schuldig gemacht, wie L.s Anwalt Adrian Hollaender ausführte.

Der Bierwirt bestand in seiner Vernehmung auf seiner Version, er sei zum fraglichen Zeitpunkt auf der Straße gewesen, um mit seiner Lebensgefährtin zu telefonieren. Zum PC auf der Theke und seinem Facebook-Konto hätten die Stammkunden Zugang. Die beiden Kunden, die damals anwesend gewesen sein sollen, haben inzwischen bestritten, die Autoren der Hasspostings zu sein.

Nach dem Urheber des verbalen Übergriffs wird also weiter gefahndet. Richter Hartwig Handsur will noch weitere Zeugen hören. Der Prozess wurde vertagt.

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