Prozess um Odai K.: Augenzeuge sagt aus

Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines 15-Jährigen wurde nach sechs Monaten erstmals ein Augenzeuge gehört. Die drei Angeklagten schweigen weiter.

Ein schmales Haus aus roten Backsteinen. Im Erdgeschoss sind die großen Fenster eines Ladenlokals.

In diesem leer stehende Café wurde Odal K. zu tode geprügelt Foto: dpa

BREMEN taz | Sechs Monate zieht sich das Verfahren um den 15-jährigen Odai K., der in der Silvesternacht 2016 zu Tode getreten worden war, vor dem Bremer Landgericht bereits hin. Am Donnerstag wurde nun erstmals ein Zeuge gehört, der in jener Nacht dabei war, als die drei Angeklagten, die sich wegen gemeinschaftlichen Totschlags verantworten müssen, auf den Kopf ihres wehrlos am Boden liegenden Opfers eingeprügelt haben sollen.

Odai K. soll in der Nähe der elterlichen Wohnung in einen Streit mit mehreren Männern geraten sein und sich in eine nahe gelegene Gaststätte geflüchtet haben, wo gerade eine private Feier stattfand. Der Zeuge, der am Donnerstag vor dem Landgericht aussagte, war einer der Party-Gäste. Er hatte kaum zwei Sätze gesagt, da sprang der Vater des toten Jungen auf und rief mit tränenerstickter Stimme „Odai“. Die Mutter des Jungen rief daraufhin auf Arabisch „Warum habt ihr Odai getötet?“ in Richtung der Angeklagten und konnte nur von einem Wachtmeister davon abgehalten werden, auf sie loszugehen. Die Eltern wurden aus dem Gerichtssaal geführt und die Sitzung für eine Stunde unterbrochen.

Nach der Pause konnte der Zeuge – nun in Abwesenheit der Eltern des getöteten Jungen – mit seiner Schilderung fortfahren. Er habe mit Freunden in einem leer stehenden Café in Lüssum Silvester gefeiert. Da sei der 15-Jährige ins Café gerannt, habe auf deutsch „Hilfe“ gerufen, drei Männer seien direkt hinter ihm hergelaufen. Und zwar, so der Zeuge, jene drei Männer, die jetzt auf der Angeklagten säßen.

Zu dritt hätten sie auf den Jungen eingeschlagen. Als er zu Boden ging, habe einer der Angeklagten ihn noch einmal hochgehoben, damit ihm einer der anderen Beschuldigten eine Flasche über den Kopf ziehen konnte. Odai K. sei erneut zu Boden gegangen und alle drei Männer hätten wieder auf den Jungen eingetreten.

„Dass er nicht auf der Stelle gestorben ist, wundert mich heute noch“, sagte der Zeuge am Donnerstag aus. Die Angreifer seien außer sich vor Wut gewesen und nur mit Mühe hätten die Freunde, die mit ihm in dem leer stehenden Café Silvester feierten, die Männer schließlich aus Tür drängen können. Die Zeit, bis der Krankenwagen kam, sei ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen, sagte der Zeuge.

Zeuge vor dem Landgericht

„Dass er nicht auf der Stelle gestorben ist, wundert mich heute noch“

Am Tag nach der Tat habe einer der Zeugen an einen Freund geschrieben, er habe zu den Angreifern in der Silvesternacht gesagt: „Ihr seid keine Männer, ihr greift kleine Kinder an.“ Der Angreifer habe auf kurdisch geantwortet: „Wir sind doch Brüder, wir müssen zusammenhalten.“ Als die Zeugen aber nach einer Woche hörten, dass der Junge am 7. Januar an den Folgen seiner schweren Verletzungen im Krankenhaus gestorben war, beschlossen sie, nicht mehr „zusammenzuhalten“, sondern bei der Polizei auszusagen.

Die Angeklagten schweigen bis heute eisern zu den Vorwürfen. Auch nach der Zeugenaussage am Donnerstag brachen sie ihr Schweigen nicht. So ist bisher auch noch immer unklar, welches Motiv sie gehabt haben könnten.

Die Familie des Opfers vermutet, dass hinter dem Angriff auf Odai K. stecke, dass er Arabisch gesprochen hat. Das habe die Angreifer offenbar provoziert habe, so die Familie des Jungen. Sie stützen ihre Vermutung auch darauf, dass einer der Angeklagten, Hayat G., ein Jahr zuvor auf Facebook auf die Frage nach den Hintergründen einer Straßenschlägerei zwischen kurdischen und arabischen Familien die Formulierung gefunden hatte: „Kleine Heuschreckenplage, wir haben desinfiziert. Alles gut.“

Aufgrund des Schweigens der Angeklagten ist auch die Frage bisher unbeantwortet, ob sie ihre Tat bereuen. Bis in den Sommer hinein sind weitere Prozesstage angesetzt.

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