Prozess um Oury Jallohs Tod geht weiter: Bis dass die Richter entscheiden

Warum Oury Jalloh 2005 in einer Polizeizelle verbrannte, ist weiterhin ungeklärt. Der Prozess wird nun fortgesetzt – obwohl die Richterin das vorzeitige Ende beantragte.

Überzeugt, dass es Mord war: Protestierende vor dem Landgericht. Bild: dpa

MAGDEBURG taz | Das Magdeburger Landgericht ist mit einem Versuch gescheitert, den Revisionsprozess zum Feuertod des Sierra Leoners Oury Jalloh ohne Urteil zu beenden. Die Vorsitzende Richterin Claudia Methling hatte am Montag angeregt, das Verfahren gegen den Angeklagten Polizisten Andreas S. „unter Berücksichtigung des Standes der Beweisaufnahme und der Verfahrensdauer“ gegen eine Geldauflage einzustellen. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Vorschlag jedoch ab.

Jalloh war am 7. Januar 2005 in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers an Händen und Füßen gefesselt verbrannt. Wie das Feuer überhaupt ausbrechen konnte, ist bis heute ungeklärt. S. war an jenem Tag für den Gewahrsamstrakt verantwortlich. Er soll den Feueralarm mehrfach ignoriert und einmal sogar abgestellt haben, statt Jallohs Leben zu retten. Nach einem ersten Verfahren war er 2008 freigesprochen worden – obwohl sich Polizeizeugen in eklatante Widersprüche verwickelt hatten.

Die Anwälte der Familie Jalloh, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, stellte einen Befangenheitsantrag gegen die Richter. „Es liegt noch immer völlig im Dunkeln, was wirklich in Dessau passiert ist. Das Gericht hat gezeigt, dass es überhaupt nicht daran interessiert ist, das aufzuklären“, sagte die Anwältin Gabriele Heinecke.

Das Gericht unterbrach die Sitzung, der Antrag sei grundsätzlich zulässig, erklärte die Richterin. Drei KollegInnen sollten ihn prüfen. Nun haben die Nebenklage und die Staatsanwaltschaft bis Montag Zeit, sich zu den Einlassungen der Richter zum Vorwurf der Befangenheit zu äußern. Der für Mittwoch angesetzte Prozesstermin entfällt. Die Mutter des Toten, die im Februar aus Guinea angereist war, brach im Saal in Tränen aus.

Die Klage der Staatsanwaltschaft fußt auf der Annahme, dass die Polizisten versäumt haben, Jalloh ein Feuerzeug abzunehmen. Damit soll er trotz Fixierung seine feuerfeste Matratze angezündet haben. Das Feuerzeug wurde jedoch erst nachträglich in eine Asservatenliste eingetragen – und die Videobänder von der Durchsuchung der ausgebrannten Zelle sind verschwunden. „Wir haben bis heute nicht erfahren, wie und warum das geschehen konnte“, sagt Heinecke.

Antrag auf zweites Gutachten abgelehnt

Kürzlich hatte das Gericht zudem einen Antrag auf ein neues Brandgutachten abgelehnt. Das einzige bisher vorliegende Gutachten konnte den Brandverlauf nicht vollständig erklären.

Menschenrechtler und die antirassistische Initiative Oury Jalloh haben den seit 2007 laufenden Prozess, der nach einer Rüge des Bundesgerichtshofs in Magdeburg neu aufgerollt werden musste, heftig kritisiert. Die Initiative glaubt, dass Jalloh von der Polizei ermordet worden ist.

In den letzten Wochen habe das Gericht signalisiert, dass es S. lediglich wegen fahrlässiger Tötung verurteilen wolle – und nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge, wie die Staatsanwaltschaft es fordert, sagt Heinecke. „Das wäre nicht einmal ein Verbrechenstatbestand, sondern nur ein Vergehen, ohne Mindeststrafe. Ein Skandal.“

Die Staatsanwaltschaft will sich derweil nicht dem Vorwurf aussetzen, einen Beitrag zu einem vorschnellen Ende des Verfahrens zu leisten. „Wir werden der Einstellung nicht zustimmen“, sagte der leitende Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann der taz. „Es geht hier nicht allein um Aufklärung, sondern auch darum, das Ergebnis aus der Aufklärung zu ziehen. Jetzt muss ein Richterspruch her, mit allen formellen Konsequenzen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.