Pseudo-historische Fotos: Mit Churchill auf dem Dachboden

Der Fotograf Jason Larkin hat sich mit historischer Erinnerung in Militärmuseen befasst. In Braunschweig sind seine Bilder aus Ägypten und Israel zu sehen.

Bis hier und nicht weiter: Pseudorealimus im Guardroom Museum im britischen Winchester Foto: Jason Larkin

BRAUNSCHWEIG taz | Großbritannien als Geburtsnation des Museums beherbergt nicht nur altehrwürdige Institutionen wie das 1759 etablierte Britische Museum, sondern auch eine ganz spezielle Sorte populistischer Museen: kolonial- und militärhistorische Ausstellungen. Sie dienen unverhohlen der Glorifizierung des britischen Empire oder, wie etwa 150 ausschließliche Militärmuseen, seiner siegreichen Streitkräfte.

Diese häufig von den Regimentern unterhaltenen Einrichtungen sollen vorrangig militärischen Nachwuchs werben. Sie arbeiten dazu gern mit pseudorealistischen Inszenierungen – historische Tatsachen wie originale Artefakte scheinen gleichermaßen verzichtbar. Möglichst eindringliche, spannende Kriegserlebnisse sollen die Besucher faszinieren. Pädagogisch, und wissenschaftlich ohnehin, sind diese Museen mehr als zweifelhaft, ihre Präsentationen schrammen oft hart an der unbeabsichtigten Parodie vorbei. Für jüngere aufgeweckte Briten, zumal wenn mit einer Portion des sprichwörtlichen Humors gesegnet, bieten sie hingegen genügend Anlass für die politisch oder visuell pointierte Analyse.

Der Fotograf Jason Larkin, Jahrgang 1979, pflegt die lang angelegte dokumentarische Studie, er veröffentlichte etwa Buchreportagen zu den sozialen, ökologischen und ästhetischen Verwüstungen durch den Gold- und Platinbergbau in Südafrika. Daneben hat er seit einigen Jahren Museen im Blick, konzentriert sich auf ihre Inszenierungstechniken und wie dadurch Geschichte konstruiert wird oder besser: erinnert werden soll.

Mit dem Thema begann Larkin in Ägypten, dort arbeitete er ab 2007 für drei Jahre als Bildjournalist, seit 2010 lebt er in Johannesburg und Großbritannien. Ägypten stand lange unter britischem Einfluss, die Macht des Militärs ist ungebrochen. Selbstverständlich gibt es in Kairo ein nationales Militärmuseum, das selbst die Niederlage im Jom-Kippur-Krieg, 1973 gegen Israel eröffnet, zu heroisieren weiß. Ägyptische Despoten wie Mubarak ließen sich zudem gern mit den Pyramiden im Vorder- und einer Staffel Kampfflugzeuge im Hintergrund porträtieren. Ihre Bildnisse, die personifizierte Symbiose aus alter Hochkultur und moderner militärischer Potenz, hängen in den Sichtachsen einschlägiger Museen, rote Teppiche weisen den Weg.

Genauso selbstverständlich sind Kriegsmuseen in Israel, dem Land mit der höchsten Museumsdichte, hier zudem meist angereichert um den Siedler- und Gründungsmythos eines eigenen Staates. Museen beider Länder widmete Larkin zwei frühe Fotoserien, bevor er sich seit dem letzten Jahr in England umschaute. Dem Royal Artillery Museum, dem der Air Force, Bletchley Park, wo die Enigma-Codes der deutschen Wehrmacht dechiffriert wurden, entlocken seine Fotos manch schräges Potenzial. Aber auch kleineren Einrichtungen wie einem War Room. Man sieht dort Oberbefehlshaber Winston Churchill mit seinem Stab in wenig glamouröser Dachstube kriegsentscheidend wirken.

Der Effekt gelingt, obwohl die Bilder still und vollkommen unspektakulär sind. Es bedarf schon intensiver Betrachtung, um ihren Gehalt zu erkennen. Im Gespräch gerät Jason Larkin in Rage darüber, wie wenig diese Museen den perversen Sinn der von ihnen zelebrierten Arsenale benennen: Menschen in großer Zahl zu töten. Das Militär scheint in England kaum infrage gestellt, die Museen erklären seine Tötungsmaschinerie zur notwendigen Routine.

Das Braunschweiger Museum für Photographie zeigt nun erstmals in Europa seine drei Serien, ineinander verschränkt, Larkin hofft auf divergente Rückmeldungen aus Deutschland. Obwohl: Die rund 40 militärhistorischen Sammlungen hierzulande mögen vielleicht niemanden so recht interessieren, ein Freiherr von Guttenberg aber spielte während seiner kurzen Amtszeit als Verteidigungsminister durchaus öffentlichkeitswirksam auf der Klaviatur populistischer Kriegsinszenierung. Möge unsere jüngste Geschichte nicht in seinem neunmaligen Auftritt am Hindukusch erinnert werden.

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