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Putschversuch in BeninVom Baumwollbaron zum Staatspräsidenten

Wer ist der Präsident, den Benins Militär am Sonntag vergeblich zu stürzen versucht hat? Patrice Talon will sein Land seit neun Jahren umkrempeln.

Nur beinahe gestürzt: Patrice Talon ist offenbar weiterhin Präsident von Benin Foto: Benoit Tessier/reuters

Nicht jeder Putschversuch ist erfolgreich. In Benin hat der gewählte Präsident Patrice Talon am Sonntag seinen Sturz durch das eigene Militär offenbar überstanden, was in Westafrika eher selten ist. Aber die TV-Bilder vom Sonntagmorgen, auf denen ein zusammengewürfelter Haufen von Uniformierten die Machtergreifung durch eine Militärjunta verkündete, hinterlassen einen bleibenden Eindruck von Instabilität. Talon war der reichste Geschäftsmann seines Landes, als er 2016 erstmals zum Präsidenten von Benin gewählt wurde.

Der damals 57-Jährige hatte als Zulieferer mit guten Geschäftsverbindungen nach Marokko in Benins wichtigstem Wirtschaftszweig des Baumwollanbaus Karriere gemacht. Er erwarb bei einer Privatisierungswelle 2008 und 2009 Benins größte Baumwollgesellschaft Sodeco und übernahm 2011 das Importmanagement an Benins Hafen Cotonou sowie die wichtigste Importkontrollgesellschaft des Landes. Wirtschaftlich ging in Benin ohne Talon nichts – und ab 2016, als er Präsident wurde, auch politisch nicht. Auf der Forbes-Rangliste der reichsten Menschen Afrikas war er bis 2015 auf Platz 15 aufgestiegen. Zunächst hatte Talon die Wahlkämpfe seines Vorgängers Boni Yayi finanziert, dann zerstritten sie sich. 2012 musste Talon nach Frankreich fliehen, als Yayi ihn des versuchten Giftmordanschlages anklagte. Talon überstand das nicht nur, er beerbte den Präsidenten. Aber seitdem wird hinter jedem Destabilisierungsversuch im Land, und dieser Putschversuch ist nicht der erste, Boni Yayi vermutet.

Wirtschaftlich ging in Benin ohne Talon nichts – und ab 2016, als er Präsident wurde, auch politisch nicht

Als Präsident wollte Talon mit dem Schlendrian seines Vorgängers brechen und Benin dynamisch führen wie ein Unternehmen, mit klaren Regeln und ehrgeizigen Zielen. Er sorgte für Entlassungen aus dem Staatsdienst wegen Zuspätkommens oder Schmiergeldforderungen, er tauchte auch mal unangekündigt persönlich in Ministerialbüros auf. Eines seiner ersten Reiseziele als Präsident war Ruanda, dessen Präsident Paul Kagame eine ähnliche Modernisierungsagenda mit harter Hand durchzieht. Ruanda mit seinen sauberen Straßen, eingehaltenen Verkehrsregeln und disziplinierter Verwaltung hat der Beniner immer wieder als Vorbild genannt. Der neue Kurs zeigte sich nicht nur in Talons Wirtschaftsreformen und Privatisierungen, sondern auch in brachialer Stadtsanierung und einer restriktiven Innenpolitik. Bei Benins Parlamentswahlen 2019 durften nur noch regierungstreue Parteien antreten, auch bei der Präsidentschaftswahl 2021 war die Opposition ausgeschlossen, manche Oppositionsführer landeten in Haft. Talon siegte 2021 im ersten Wahlgang mit 87 Prozent. Er war als Parteiloser angetreten.

Immerhin: Talon bezog in seiner zweiten Amtszeit deutlich Position gegen die Militärputschisten in den Nachbarländern Niger und Burkina Faso. International will er sich damit als Demokrat in Westafrika positionieren und hat damit militärische Unterstützung aus Frankreich und den USA gegen Infiltrationen islamistischer Terrorgruppen bekommen. Und Talon scheint sich an Benins Verfassung zu halten und kündigte an, bei der nächsten Wahl im April 2026 nach zwei gewählten Amtszeiten nicht wieder anzutreten. Er glaubt sein Erbe sicher in den Händen seines Wunschnachfolgers, Finanzminister Romuald Wadagni. Aber der Militärputschversuch macht deutlich: Das vorgebliche Erfolgsmodell ist im unruhigen Westafrika nicht so sicher, wie es scheint.

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