Putzfrau unterliegt vor EuGH: Ab 65 ist Schluss mit Wischen

Der Europäische Gerichtshof weist die Klage einer 65-Jährigen wegen Altersdiskriminierung zurück. Die Hamburger Putzfrau wollte weiter arbeiten - ihre Rente reicht nicht.

Die Richter bleiben hart: Es hat sich ausgeschrubbt. Bild: photocase/ilele

HAMBURG taz | Das Tarifvertrags-Gefüge gerät nicht ins Wanken. Klauseln in Tarifverträgen, die den Renteneinstieg mit 65 vorschreiben, verstoßen nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und stellen auch keine Altersdiskriminierung dar. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) aufgrund einer Anfrage des Hamburger Arbeitsgerichts entschieden. Die 65-jährige Putzfrau Gerda R. aus Lurup hatte auf der Basis des AGG-Antidiskriminierungsgesetzes auf Weiterbeschäftigung auch über das 65. Lebensjahr hinaus geklagt, da sie von ihrer Rente in Höhe von 228 Euro nicht leben könne.

Gerda R. hatte 39 Jahre lang in der Bundeswehr-Führungsakademie in Blankenese geputzt. Seit dem 1. November 1994 war sie bei der tarifgebundenen Firma Öllerking Gebäudereinigung teilzeitbeschäftigt angestellt und verdiente zuletzt 307 Euro brutto. Der Rahmentarifvertrag für die Gebäudereinigung sieht vor, dass jemand nach Vollendung des 65. Lebensjahr automatisch in Rente geht - eine Klausel, die es ähnlich in vielen Tarifverträgen anderer Branchen gibt.

Gemäß diesem Passus teilte Gerd R. der Firma Öllerking Anfang Mai 2008 mit, dass ihr Vertrag eigentlich zum 31. Mai 2008 mit Renteneintritt endet, kündigte aber an, wegen der mageren Rente weiterarbeiten zu wollen. Denn die Regelung im Tarifvertrag verstoße gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie - Basis des deutschen AGG - und würde eine Altersdiskriminierung bedeuten. Die Firma lehnte ab, R. klagte. Ihr Anwalt Klaus Bertelsmann stieß mit seiner Argumentation beim Arbeitsgericht auf offene Ohren. Das Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH einen Katalog zur Prüfung vor: Kernpunkt war die Frage, ob nach Inkraftreten des AGG im Jahre 2006 kollektiv-rechtliche Regelungen in Tarifverträgen, die ein Ausscheiden aus Altersgründen vorsehen, mit dem Verbot der Altersdiskriminierung im AGG und der EU-Richtlinie vereinbar seien. Und ob ein Staat, der solche Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt, nicht gegen das EU-Recht verstoße.

Das Gericht verneinte die Fragen. Der EuGH habe bereits entschieden, dass Klauseln über die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die eine Altersrente beantragen können, als Teil einer nationalen Politik gerechtfertigt sein können, wenn darüber eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen und der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll.

Derartige Rentenklauseln seien zudem in Deutschland seit langem Konsens zwischen den Tarifvertragsparteien, die den Beschäftigten eine gewisse Stabilität biete und "langfristig einen vorhersehbaren Eintritt in den Ruhestand verheißt", so der EuGH. Gleichzeitig biete sie dem Arbeitgeber Flexibilität in der Personalplanung. Die EU-Richtlinie zur Altersdiskriminierung sei dahin auszulegen, dass eine Klausel wie die im Rahmentarifvertrag für Gebäudereinigung "über die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das Rentenalter von 65 Jahren erreicht haben, dem Ansinnen des AGG nicht entgegensteht".

Der Landeschef der Gewerkschaft Ver.di, Wolfgang Rose, begrüßte einerseits das EuGH-Urteil, da die tarifvertragliche Altersgrenze zum Eintritt in die Rente nicht aufgehoben worden sei, nannte Gerda R. aber eine "Vorbotin für die Altersarmut". "Dieses Urteil legt den Sozialzynismus der derzeitigen Sozial-, Renten- und Lohnpolitik hierzulande offen", sagt Rose. Es laufe etwas "grundfalsch im Sozialstaat, wenn 66-jährige Frauen noch arbeiten müssen, weil die Rente nach 39 Jahren Arbeit nicht reicht".

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