Qual-Schlachthof geht neue Wege: Vom Kuhmassaker zum Weideabschuss
Der unter dem Verdacht von Tierschutzverstößen stillgelegte Schlachthof Elsfleth könnte neu eröffnet werden, aber ohne Lebendtransporte und Tötungen.

Ein der Tierrechtsorganisation Aninova zugespieltes Undercover-Video hatte den Schlachthof zu Fall gebracht. Den blutigen Qual-Horror, der auf ihm zu sehen ist, bezeichnet Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender von Aninova, als „Massaker“. Aninova erstattete bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg Strafanzeige, das Veterinäramt desgleichen.
Der Zweckverband Veterinäramt Jade-Weser in Schortens hat Ende Oktober, „sofort nach Erhalt der ersten Videosequenzen“ die Schlachtung verboten. „Die weiteren Prüfungen stützten die erste Einschätzung, dass deutliche Verstöße gegen das Tierschutzrecht vorliegen“, schreibt der Zweckverband.
Die Ermittlungen dauerten an, schreibt Thorsten Stein, Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg. „Derzeit sind die Akten an die Polizei versandt zwecks Identifizierung und anschließender Vernehmung noch unbekannter Beschuldigter, die auf Videoaufnahmen zu sehen sind.“
Gerüchte über einen Neuanfang
Kürzlich schlug Aninova Alarm: „In der Region kursieren Gerüchte“, teilt die Organisation mit, „ein neuer Betreiber wolle den Schlachthof zum Jahresanfang umbauen und wieder in Betrieb nehmen.“ Geschähe das, wäre das für ihn „völlig unverständlich“, sagt Peifer der taz. Und dann wird er grundsätzlich: „Nur ein geschlossener Schlachthof ist ein guter Schlachthof!“
Derzeit gebe es keinen neuen Betreiber für den Schlachthof Elsfleth, teilt der Zweckverband Veterinäramt mit. Ihm und dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit seien „in den letzten Monaten lediglich verschiedentliche Ideen für eine Umstrukturierung unter einem neuen Betreiber vorgestellt“ worden.
Issam Hijazi, Geschäftsführer des Schlachthofs Elsfleth, vermittelt einen Kontakt zur Ursache des Gerüchts. Es ist die „Regional-Weidefleisch GbR“, zu der sich rund 30 Rinderhalter aus dem Raum Bremen zusammengeschlossen haben.
„Das ist also schon weit mehr als nur ein Gerücht“, sagt Wolfgang Golasowski der taz, ehrenamtlicher Sprecher der Firma und vor seiner Pensionierung Richter und Staatsrat in Bremen. „Wenn alles klappt, pachten wir den Betrieb und beginnen dort so schnell wie möglich mit der Arbeit, vermutlich Ende des Jahres.“
Schlachtung per Gewehrkugel
Aber der Betrieb werde kein Schlachthof mehr sein, sondern nur noch eine Verarbeitungsstätte. „Die Tiere werden in ihrer gewohnten Umgebung getötet, entweder auf dem Hof per Bolzenschussbetäubung und Kehlschnitt, oder, idealerweise, auf der Weide, durch eine Gewehrkugel.“
Im Betrieb in Elsfleth werde dann „nichts mehr von dem existieren, was auf den Videos zu sehen ist“, sagt Golasowski. Die Hof- oder Weidetötung sei besser für das Tierwohl. Und sie sei besser für die Fleischqualität, weil die Ausschüttung von Stresshormonen vermieden werde.
Die Rinderhalter, viele Hofladen-Vermarkter, einige biozertifiziert, suchen schon mehrere Jahre nach einer solchen Verarbeitungsstätte. Was in Elsfleth vielleicht demnächst entsteht, bezeichnet Golasowski als „Hotspot“, als Betrieb mit Vorzeigecharakter, denn „so was gibt es ja noch nicht“.
Dass der Schlachthof ein belasteter Ort ist, ist eine Herausforderung für die GbR. „Wir müssen das sehr offen kommunizieren“, sagt Golasowski. „Wir wollen die Vergangenheit des Schlachthofs ja nicht verstecken, und uns nicht vor ihr, aber sie ist Vergangenheit.“
Tiere zu essen, gilt als vernünftig
Unabhängig vom Betreiber müssten die seit der Schließung bestehenden Auflagen „vor einer (Wieder-)Inbetriebnahme umgesetzt bzw. abgearbeitet werden“, erklärt der Zweckverband Veterinäramt. Derzeit sei die Schlachtung dem Schlachthof Elsfleth „weiterhin untersagt“. Die Einhaltung des Schlachtverbotes werde amtlich überwacht.
Wie verhindert werden kann, dass sich Zustände wie der in Elsfleth wiederholen? Man sei dabei „auch auf die Weiterentwicklung rechtlicher Regelungen und Vorgaben angewiesen“, schreibt das Veterinäramt. „So unterstützen wir ausdrücklich die Einführung einer verpflichtenden Kameraüberwachung für schlachtende Betriebe mit behördlichen Zugriffsrechten.“
„Das klingt natürlich erst mal besser“, kommentiert Jan Peifer die Perspektive, dass in Elsfleth Tiere zukünftig nicht mehr getötet werden sollen, nur noch zubereitungsgerecht zerlegt. „Aber eine wirklich tiergerechte Alternative sehe ich hierin nicht. Auch hierbei sterben die Tiere ja.“
Paragraph eins des Tierschutzgesetzes verfügt: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Die Fleischauslagen unserer Supermärkte zeigen: Anscheinend gilt es als vernünftig, Tiere essen zu wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Linken-Bashing in der „Zeit“
Vom bürgerlichen Drang, über Mitte und Norm zu herrschen
Buch über Erfolg der Nazi-Ideologie
Die Lust am Hass bleibt
Diskussion um Wehrdienst
Doppelte Solidarität
Historikerin über rechte Körperpolitik
Die Fantasie vom schönen Volk
Problem Holzkohle
Grillgenuss ohne Waldverlust
Die Grünen und das Verbrenner-Aus
Peinliches Manöver, aber Kurve gekriegt