RKI beendet Pressekonferenzen: Ein völlig verkehrtes Signal

Das Robert-Koch-Institut will seltener vor die Presse treten. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um das für falsch zu halten.

Schade: Sein „Wissen teilen“ will RKI-Vizepräsident Lars Schaade künftig nicht mehr regelmäßig Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Es war ein gewohntes Bild in den Nachrichten der letzten Wochen: Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts, oder auch sein Stellvertreter Lars Schaade kommentieren die aktuellen Corona-Zahlen und bewerten die politischen Vorschläge dazu. Doch damit ist jetzt erst mal Schluss: Das RKI stellt seine regelmäßigen Pressekonferenzen, die zuletzt zweimal pro Woche stattfanden, bis auf Weiteres ein. Als Hauptgrund nannte Schaade am Donnerstag, dass die Zahl der Neuinfektionen deutlich zurückgegangen sei.

Diese Entscheidung ist ein Fehler. Und zwar nicht nur, weil es JournalistInnen, die über die Corona-Epidemie berichten, die Arbeit enorm erleichtert, wenn sie direkte Fragen und Nachfragen stellen können und darauf unmittelbar eine zitierfähige Antwort der RKI-Leitung bekommen. Wichtiger ist, dass das Institut ein völlig falsches Signal sendet.

Denn das RKI, das übrigens, anders als bisweilen vermutet, kein reines Forschungsinstitut ist, sondern eine obere Bundesbehörde, die die Regierung offiziell in Gesundheitsfragen berät, sagt damit, dass die Corona-Epidemie inzwischen nicht mehr wichtig genug ist, um regelmäßig darüber zu informieren. Einen Tag nachdem die weitergehenden Lockerungen beschlossen wurden, kann das leicht den Eindruck vermitteln, dass die ganze Sache jetzt wirklich überstanden ist.

Dass das trotz des tatsächlich erfreulichen Rückgangs der Infektions- und Todeszahlen keineswegs der Fall ist, betont zwar auch das RKI – doch diese Botschaft droht unterzugehen angesichts der Entscheidung, die Pressekonferenzen auszusetzen.

Zudem kann durch das überraschende Ende der Eindruck entstehen, dass hier eine Stimme verstummt, die dem immer stärker werdenden Druck nach einer Lockerung der Corona-Beschränkungen zumindest bisweilen etwas entgegengesetzt hat.

Ein fataler Anschein

Auch wenn das RKI diese Entscheidung wirklich völlig eigenständig gefällt haben sollte, wie es selbst erklärt: Allein schon der mögliche Anschein, dass es nach einigen kritischen Äußerungen politischen Druck gegeben haben könnte, die ausführlichen Presseinformationen zu beenden, kann großen Schaden für die Glaubwürdigkeit der weiteren Corona-Politik anrichten.

Das Robert-Koch-Institut sollte seine Entscheidung darum schnell revidieren. Gerade jetzt, wo die Beschränkungen weiter gelockert werden und der Bund die Verantwortung weitgehend an die Länder überträgt, ist eine qualifizierte Bewertung des aktuellen Geschehens besonders wichtig.

Und wie groß das Interesse an seinen Informationen weiterhin ist, zeigen neben der regen Beteiligung vieler relevanter Medien übrigens auch die hohen Klickzahlen, die die Pressekonferenz-Mitschnitte in den sozialen Medien erreichen. Und auch dort sind seriöse Informationen und kritische Nachfragen derzeit wichtiger denn je.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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