Radaktivist über Autofahrer-Lobby: „Wir nehmen uns die Straße“

Eine Initiative von „Kampfradlern“ ruft Radfahrer zu zivilem Ungehorsam im Verkehr auf. Der Aktivist Bernhard Stoevesandt erklärt warum.

Viele Ampeln seien „sehr fahrradfeindlich geschaltet – mit Wartephasen, die keinem Auto zugemutet würden“, sagt „Kampfradler“ Stoevesandt. Bild: glashaut/photocase.com

taz: Herr Stoevesandt, Sie haben eine Kampagne gestartet, bei der sich Radfahrer als „Kampfradler“ outen sollen – was bezwecken Sie damit?

Bernhard Stoevesandt: Wir bekennen uns dazu, die Verkehrsregeln so lange zu übertreten, bis es gleiche Bedingungen für alle Verkehrsteilnehmer gibt. Radfahrer werden von der Verkehrspolitik nicht mitgedacht, die Regeln sind so gemacht, dass die Leute Auto fahren sollen. Deshalb haben Radler oft gar keine Möglichkeit, sich an die Verkehrsordnung zu halten. Darauf wollen wir hinweisen.

Sie rufen also zu einer Art zivilem Ungehorsam im Straßenverkehr auf?

Ja, genau. Wir haben es satt, als Randerscheinung wahrgenommen zu werden und uns den Autos und Lkws unterordnen müssen. Wenn die Radwege schlecht sind, nehmen wir uns die Straße. Wir wollen Druck auf die Politik machen, damit die Bevorzugung des Autos ein Ende hat.

Wobei werden Radfahrer Ihrer Meinung nach denn konkret benachteiligt?

Zum Beispiel sind viele Ampeln sehr fahrradfeindlich geschaltet – mit Wartephasen, die keinem Auto zugemutet würden. An manchen Kreuzungen müssen Fußgänger und Radler an drei verschiedenen Ampeln warten, damit die Autos in alle Richtungen abbiegen können. Wenn es Radwege gibt, sind die oft viel schlechter als die Straßen, zu schmal oder ständig zugeparkt. Solche Dinge wollen wir auf unserer Webseite dokumentieren.

42, ist diplomierter Physiker und lebt in Bremen. Jetzt hat er die Initiative „Ja, wir sind Kampfradler_innen“ mitgegründet – aufgrund eigener Erfahrungen.

CSU-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer fordert, „der Verrohung der Kampfradler Einhalt zu gebieten“. War das der Auslöser für Ihre Aktion?

Ja, das hat uns wahnsinnig aufgeregt. Dahinter steht ja ein Konflikt um den Verkehr: Wohlstand in Deutschland hatte ganz lange mit dem Autofahren zu tun, die Industrie und die Autofahrer haben eine wahnsinnig starke Lobby. Die Zeiten ändern sich aber und aufgrund der Klimaverhältnisse werden wir uns nicht mehr leisten können, dass die Leute überall mit dem Auto hinfahren. Dem Fahrradverkehr kommt deshalb in Zukunft eine viel größere Bedeutung zu. Ein Minister, der sich damit profiliert, auf den Radfahrern rumzuhacken, ist da total unproduktiv.

Was wäre denn stattdessen produktiv?

Die gesamten Verkehrsvorschriften sind nicht mehr so richtig zeitgemäß. Sie kommen aus einer Zeit, als es viel weniger Radfahrer gab als heute. Wir fordern, allen Verkehrsteilnehmerinnen gleich viel Raum einzuräumen, allen die gleichen Ampelzeiten zuzuweisen – und eine Verkehrsplanung, die Fahrräder insgesamt als gleichwertig betrachtet.

Da sind Sie ja ganz nah beim ADFC – wollen Sie mit dem zusammenarbeiten?

Nein, der ist uns viel zu defensiv. Der stellt sich hin und kontrolliert selber die Radfahrer, damit die sich an die Regeln halten. Das ist das falsche Signal.

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