Radball-Training in Niedersachsen: Kick it like Armstrong

Fast wie Fußball, nur eben auf dem Fahrrad: Beim Verein Stahlrad Laatzen spielen Erwachsene und Jugendliche Radball. Ein Trainingsbesuch.

Radballspieler auf ihren Fahrrädern

Mussten die Bewegungsabläufe erst lernen: Radballspieler Foto: Christian Wyrwa

LAATZEN taz | Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein ganz normales Fahrrad. Doch ein bisschen anders ist das grün-gelbe Zweirad, mit dem Michelle durch die Sporthalle rast, schon: Der Sattel liegt weiter hinten und deutlich niedriger als bei normalen Fahrrädern, dafür hat der Lenker zwei lange Griffe, die nach oben zeigen.

Beides aus demselben Grund: Gefahren wird hier im Stehen. Dann geht alles ganz schnell: Michelle reißt den Lenker mit aller Kraft hoch und ruckartig zur Seite. Mit dem Vorderrad kickt sie einen rot-weißen Ball durch die Luft. Tor. Keine Chance für den Torwart, der ebenfalls auf dem Rad sitzt. Jubelnd rollt Michelle zurück in die eigene Spielfeldhälfte.

Beim Verein Stahlrad Laatzen von 1897 e.V. trainiert die 14-jährige Michelle Freyer die ungewöhnliche Sportart Radball zusammen mit fünf anderen Jugendlichen und acht Erwachsenen. Der Verein ist einer von zwei Radvereinen in der Region Hannover, die Radball anbieten, ist aber in keiner der sechs Ligen in Deutschland vertreten.

Seit zwei Jahren sind Michelle und ihr jüngerer Bruder Dennis dabei, mittlerweile haben auch ihre Freunde eine Vorstellung von dem Sport. „Als ich am Anfang ein Referat in der Schule gehalten habe, haben alle gefragt: Was ist das denn?“, erzählt Michelle und fügt stolz hinzu: „Eine Eins gab’s trotzdem.“

Lange Tradition

Obwohl Radball nicht so weit verbreitet ist wie viele andere Ballsportarten, können die Spieler auf eine lange Tradition zurückblicken. In Laatzen bekam der Sport in den 50er-Jahren eine Sparte im Radverein. Erfunden wurde Radball Ende des 19. Jahrhunderts – nach Aussage des Erfinders, dem amerikanischen Kunstradfahrer Nick Kaufmann, durch einen lustigen Zufall.

„Eines Tages lief mir ein kleiner Hund vors Rad. Rasch hob ich das Vorderrad und beförderte damit den Mops, so sanft es ging, aus dem Weg – mich vor einem Sturz rettend, das Tier vor Verletzungen“, wird Kaufmann zitiert. Aus dem Mops wurde ein Ball, und die neue Sportart war geboren. Das erste Radball-Spiel fand dann am 14. September 1883 auf Hochrädern in Rochester, New York statt.

Doch wie kommt es, dass der Sport in den fast 135 Jahren seiner Existenz nicht populärer wurde? Kai Schulze, der seit einigen Monaten Koordinator für Hallensport bei Stahlrad Laatzen ist, hat eine Vermutung: „Das größte Problem ist, dass es so lange dauert. Man muss viele Monate üben, bis man richtig spielen kann“, sagt Schulze, der selbst seit 15 Jahren Radball spielt.

Allein das Fahren auf den speziellen Rädern bereite am Anfang selbst erfahrenen Rennradfahrern Schwierigkeiten – besonders durch die direkte Übersetzung: Wer rückwärts in die Pedale tritt, fährt rückwärts; wer gar nicht tritt, bewegt sich nicht – und fällt schnell um.

Klingt gefährlich, ist es auch: An Blasen an den Händen und blaue Flecken vom Hinfallen mussten sich die Radballer schnell gewöhnen. Ernsthafte Verletzungen hat es in Laatzen bisher aber nicht gegeben, was selbst Trainer und Spieler etwas überrascht.

Füße auf den Pedalen lassen

Doch der hohe Schwierigkeitsgrad macht für Spartenleiter Schulze auch die Faszination aus: „Wenn man erst mal einen gewissen Punkt erreicht hat, lässt es einen nicht mehr los.“ Am Anfang habe er es sich selbst nicht vorstellen können, minutenlang freihändig auf dem Fahrrad zu stehen oder eben mit dem Rad Tore zu schießen.

Neben einem guten Gleichgewichtssinn und Geschicklichkeit ist beim Radball vor allem Ausdauer gefragt, schließlich stehen pro Mannschaft nur zwei Spieler auf dem Feld. „Dann gibt es oft auch kurze Sprints, da kommt also alles zusammen“, sagt Schulze. Gespielt wird zweimal sieben Minuten.

Wichtigste Regel: Füße auf den Pedalen lassen. Wer auf den Boden tritt, muss zur Strafe einmal hinter die eigene Torlinie radeln, das kann entscheidende Sekunden kosten. Und so ist Radball dann doch nicht, wie oft beschrieben, Fußball auf dem Fahrrad. Die Spieler kicken schließlich mit dem Vorderrad – und wer ganz geschickt ist, mit dem Hinterrad –, die Füße sind dagegen nur für die Fortbewegung da.

Oder wie der zweite Vorsitzende des Vereins, Niklas Gumboldt, es ausdrückt: „Wäre es einfach, würde es ja 'Fußball’ heißen.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.