Radwege vs. Parkplätze: Verflixt und zugeparkt

Gegen ständig blockierte Radstreifen würde das Prinzip der „Protected Bike Lanes“ helfen. Doch die durchzusetzen, ist schwerer als gedacht.

Diesen Radweg auf der Karl-Marx-Straße hat das Bezirksamt Neukölln am Donnerstag eröffnet – genutzt wird er ausgiebig, aber nicht nur von RadfahrerInnen Foto: Karsten Thielker

Neukölln und Radfahren, das ging lange nicht gut zusammen. Auch heute noch fehlt es gerade im Norden des Bezirks an fahrradfreundlicher Infrastruktur. Wer trotzdem fährt – und viele tun es –, hat oft die Wahl zwischen Rumpelwegen und einer Vorhölle aus Blech und aufheulenden Motoren. Aber natürlich bekommen auch FußgängerInnen die ungebremste Wucht des Autoverkehrs zu spüren.

Und so nimmt es dann doch nicht Wunder, dass Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) bei der Einweihung eines 350 Meter langen, neu gestalteten Abschnitts der Karl-Marx-Straße am Donnerstag gleich vier Mal sagt, man habe „Geschichte geschrieben“, wenn auch nur „ein Stück“: Tritt man jetzt etwa aus dem Neuköllner Heimathafen auf die Straße, findet man nur noch je eine Fahrbahn für Autos pro Richtung sowie einen mit durchgezogenem Strich abgegrenzten Radstreifen und breitere Gehwege vor.

Während Hikel mit seinem Stadtrat für Stadtentwicklung Jochen Biedermann (Grüne) und Wohnungs-Staatssekretär Sebastian Scheel (Linke) ein über die Straße gespanntes Bändchen zerschneidet und gleichzeitig den Umbau des Folgeabschnitts in Richtung Innenstadt (Briese- bis Weichselstraße) einläutet, steht auf dem noch fehlenden Abschnitt bis zum Hermannplatz ein fahrradfreundliches Experiment seit Neuestem wieder auf der Kippe: die Einrichtung sogenannter Protected Bike Lanes (PBL).

Ein Schweizer Käse als Kompromiss

Der Entwurf des Berliner Mobilitätsgesetzes wird derzeit im Verkehrsausschuss verhandelt. Darin heißt es, Radverkehrsanlagen an Hauptstraßen sollten "so gestaltet werden, dass unzulässiges Befahren und Halten durch Kraftfahrzeuge unterbleibt".

Für diese vom Kfz-Verkehr baulich abgetrennten Rad-Spuren machen sich die AktivistInnen vom Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln seit Jahren stark. Mit dem Bezirksamt hatten sie einen Kompromiss ausgehandelt, nach dem zumindest Teile der Strecke als PBL gestaltet werden sollten. Wegen der vielen Querungen – auch dank des Gewerbes in Innenhöfen mit den entsprechenden Einfahrten – wäre das zwar laut Wieland Voskamp, dem Leiter des Straßen- und Grünflächenamts Neukölln, ein „Schweizer Käse“. Aber immerhin.

Schon besser – wenigstens ein bisschen … Foto: Karsten Thielker

Wie Voskamp nun Ende April bei einer Veranstaltung der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft Berlin-Brandenburg in der TU sagte und am Donnerstag der taz bestätigte, hat jedoch die Berliner Feuerwehr massive Problemen mit diesem Plan. Sie kritisiere, dass der „zweite Rettungsweg“ nicht mehr gegeben sei, weil die Entfernung von der Fahrbahn zur Gebäudekante zu groß werde. Eine Entfernung, die sich durch die Summe aus Gehweg, Bike Lane und einem Parkstreifen beziehungsweise einer Ladezone zwischen Bike Lane und Fahrbahn ergibt.

Womit der Kern des Problems angesprochen wäre: Wer eine richtig gute Infrastruktur für RadfahrerInnen bauen will – den Goldstandard quasi, wie er etwa in Kopenhagen üblich ist –, muss den AutofahrerInnen nicht nur bisweilen eine Fahrbahn wegnehmen, sondern, häufiger noch, Parkplätze. Ob das durchsetzbar ist?

Keine „Straßenmalerei“ mehr

Thomas Stein vom Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln spricht sich klar dafür aus, Parkraum für Pkw auf Hauptstraßen einer Verbesserung der Radwege zu opfern: Es gebe im Neuköllner Norden mehr als 2.000 Parkplätze in Parkhäusern, die zu großen Teilen dauerhaft ungenutzt blieben – wie das von der Bar „Klunkerkranich“ genutzte Parkdeck der Neukölln Arcaden. Halbherzige Kompromisse will Stein nicht mehr akzeptieren: „Wir brauchen die Protected Bike Lanes als echte Verbesserung gegenüber der jetzigen Straßenmalerei.“

Auch Nikolas Linck, Sprecher des Berliner ADFC, findet: „Parkende Autos machen geschützte Radstreifen komplizierter“ – nicht nur wegen der querenden Fußgänger. „Dieses Problem haben wir schon jetzt auf den vielen Hochbordradwegen in Berlin, die fast immer zwischen Gehweg und parkenden Autos liegen“, so Linck. „Mit gegenseitiger Rücksichtnahme“ sei das machbar. Es ergebe sich aber auch eine „Dooring“-Gefahr, nun durch die BeifahrerInnen, weshalb die Pufferzone ausreichend breit sein müsse. Sein Fazit: „Geschützte Radstreifen sind besser ohne parkende Autos. Aber alle Parkplätze auch an den Hauptstraßen wegfallen zu lassen, die ausreichend Platz bieten, ist weder mehrheitsfähig noch unser Ziel.“

In der Senatsverkehrsverwaltung betont man, dass das Konzept Protected Bike Lane“ experimentellen Charakter habe – beispielsweise kenne die Straßenverkehrsordnung (StVO) sie nicht als Standardlösung. Es sei aber eine bewusste Entscheidung Berlins, „dieses neue Element beispielgebend für Deutschland umfangreich auszuprobieren“, so Sprecher Matthias Tang. Deshalb solle nach dem Beschluss des Mobilitätsgesetzes „zunächst nach baulich abgrenzten Lösungen gesucht werden“ – ob bauliche Radwege oder PBL. Aber: „Vermutlich wird es Straßenräume geben, bei denen diese Lösungen nicht umsetzbar sind.“

Laut Amtsleiter Voskamp befinden sich die Behörden zurzeit in der Abstimmung, auch mit dem bezirklichen „Fahrrat“. Bis zur Sommerpause erwartet er eine Entscheidung.

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