Räumung des Berliner Szene-Ladens M99: Gericht sieht Gefahr für Leib und Leben

Das Landgericht kassiert die für Donnerstag angesetzte Zwangsräumung. Zunächst müsse ein Gutachten mögliche Folgen für den Betreiber prüfen.

Hans-Georg Lindenau

Betreiber Hans-Georg Lindenau in seinem „Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf“ Foto: dpa

BERLIN taz | Erneut gibt es eine überraschende Wende im Fall des räumungsbedrohten linken Szeneladens M99: Das Berliner Landgericht gab einer Beschwerde gegen die für Donnerstag geplante Zwangsräumung des Betreibers Hans-Georg Lindenau statt. Die Räumung ist damit ausgesetzt. Sie soll laut Gericht aber nicht bis Mai aufgeschoben werden, wenn Lindenau seine neuen Räumlichkeiten in der Falckensteinstraße 46 beziehen kann.

Entgegen dem Beschluss des Amtsgerichtes vom Dienstag, der sich über sämtliche Einwände hinwegsetzte, will die Zivilkammer 51 des Landgerichtes die möglichen psychischen Folgen einer Zwangsräumung prüfen lassen. Im Beschluss heißt es: „Es soll ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und/oder Psychologie zu der Behauptung des Schuldners eingeholt werden, die beabsichtigte Räumung sei für ihn mit einer erhebliche Gefahr für Leib und Leben verbunden, da eine ernsthafte suizidale Handlung – im Falle einer Räumung – drohe.“ Die eingereichten ärztlichen Atteste geben diesbezüglich „ausreichende Anhaltspunkte“.

Magnus Hengge, der für die Mieterinitiative Bizim Kiez Unterstützung für den M99 organisiert, zeigte sich gegenüber der taz positiv überrascht: „Wir haben absolut nicht mit dieser Entscheidung gerechnet.“ Zu kategorisch sei der Amtsgerichtsbeschluss ausgefallen. Darin wurde bestritten, dass es für Lindenau überhaupt möglich sei, einen Räumungsschutz zu beantragen – schließlich handle es sich ausschließlich um Gewerberäume.

Dieser Ansicht folgte das Landgericht ganz offensichtlich nicht. Tatsächlich lebt Lindenau bereits seit 30 Jahren in eben jenen Räumlichkeiten. Nicht in Betracht komme dagegen ein Räumungsschutz, bis Lindenau seine neue Ladenwohnung beziehen kann. Das Gericht argumentiert, dass Lindenau bereits eine „großzügig bemessene Räumungsfirst bis zum 31.12.2015 gewährt“ wurde. Seitdem sind bereits weitere neun Monate verstrichen.

Ebenso wie das Amtsgericht weist auch der neue Beschluss auf eine Bedrohung des Eigentümers hin: „Den Gläubigern, die (…) von so genannten Kiezbewohnern unter erheblichen Druck gesetzt werden, ist es nicht zuzumuten, nochmals sieben Monate mit der Räumung zu warten.“ Hengge kommentierte die Passage lakonisch: „Jetzt sind wir auch noch schuld.“

Wie lange sich die Räumung, gegen die Aktivisten bundesweit mobilisieren, nun hinauszögern wird, ist offen. Zunächst muss ein Gutachter gefunden werden, der dann vom Gericht bestätigt wird. Eine eingehende Prüfung der psychologischen Situation Lindenaus wird dann weitere Zeit in Anspruch nehmen – Ausgang ungewiss.

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