Räumung des Camps in London: Occupy ist aus dem Weg

An St. Pauls, wo alles begann, ist alles zu Ende: Die Zelte der Occupy-Bewegung wurden abgerissen. Offenbar hat die Bewegung auch das letzte besetzte Gebäude verloren.

Weggeräumt. Bild: reuters

LONDON taz | Das Camp vor der Kathedrale von St. Pauls ist nicht mehr. Um ein Uhr in der Nacht zu Dienstag begannen die Gerichtsvollzieher der City of London Corporation, der Verwaltung des Finanzdistrikts, die Zelte abzureißen. Die Räumung verlief friedlich, während die Polizei die rund fünfzig Besetzer auf den Stufen vor dem Portal der Kathedrale festhielten. Nur wenige verschanzten sich hinter Holz-Paletten und auf einem Regal aus dem Küchenzelt. Es kam zu mehreren Festnahmen. Nach etwas mehr als vier Monaten ist der Vorplatz vor der Kathedrale seit Dienstagmorgen leer und die Occupy Bewegung ist aus dem Weg – es bleibt nur noch das Camp am abgelegenen Finsbury Square.

Gleichzeitig mit dem Camp vor St. Pauls wurde nach Angaben der Besetzer auch die "Schule der Ideen" im Stadtteil Islington geräumt. Auf dieses Projekt hatte die Bewegung große Hoffnungen gesetzt. Die Schule sollte weiterhin Workshops und Treffen beheimaten und nicht nur als Ort sondern auch als Symbol für die inhaltliche Arbeit dienen. Von hier aus wollte die Bewegung versuchen, engeren Kontakt zur Bevölkerung Londons aufzubauen und breitere Unterstützung zu gewinnen.

Die Räumung des Camps vor der St. Pauls Kathedrale hing schon seit Wochen in der Luft. Seit einer Gerichtsentscheidung vergangene Woche war klar, dass spätestens in dieser Woche das Zelten vor der Kirche ein Ende haben würde. Die Räumung der "Schule der Ideen" kam jedoch völlig überraschend. Über Twitter verkündet Occupy London, die Räumung sei illegal, da es sich um eine legale Besetzung handele.

Dave "der Schotte"

Die Räumung der Schule kommt nicht nur überraschend, sie trifft die Bewegung stärker als die Räumung des Camps. Die kleine Zeltstadt vor der Kathedrale war zwar der Anker der Bewegung im Bewusstsein der Öffentlichkeit, aber die Bewegung konnte das immer weniger für sich nutzen. Zwar mag das Camp nach innen gute und wichtige Arbeit verrichtet haben – etwa mit der "Zelt Universität" oder indem es eine Heimat für die Obdachlosen der City war – aber nach außen präsentierte sich das Lager schlecht.

Wer sich als Tourist nachmittags in der Sonne auf den Stufen der Kathedrale setzte, konnte damit rechnen, dass er Dave erleben würde – Dave "der Schotte", wie sich der hagere 28-Jährige nennt. Neben flammendem Aktionismus und globalisierungskritischer Frustration beeindruckt Dave aber bleibend vor allem mit seiner absurden Paranoia. Jedem Säugling würde demnächst ein RFID-Erkennungschip implantiert, gesponsert von Coca Cola. Außerdem sei das Camp von Occupy London unterwandert von einigen der zehntausenden Spione und Agents provocateurs, die Regierung, Polizei und private Sicherheitsfirmen engagierten. Nur deswegen – und weil die Massen vom Privatfernsehen betäubt würden – falle die Weltrevolution auch in diesem Monat aus. Kaum nachdem Dave das Wort ergriffen hatte, löste ihn ein Glatzkopf grölend ab, mit glasigem Blick und Bierdose in der Hand. Offensichtlich nicht seine erste. Während Lehrer hektisch ihre Schüler-Herden von der Treppe durch das Portal in die Kathedrale trieben, lallte er lautstark seine Nachricht an die Besucher: "Wir sind hier und ihr seid da und das ist total toll." Mit dem Verlust des Camps hat sich die Bewegung nun auch solcher Öffentlichkeitsarbeit entledigt.

Doch der Verlust des Camps bedeutet für die Bewegung nicht das Ende ihrer Entschlossenheit. Sie ist in London deutlich zu spüren und an Zuversicht und Ideen mangelt es nicht. "Eine Idee kann man nicht räumen", sagen die Besetzer. Es ist aber unklar, ob diese Idee ohne die "Schule der Ideen" als Verbindung zu Bevölkerung weiter wachsen kann. Dank Dave und Co. wird es dem Camp am Finsbury Square mindestens so schwer fallen wie dem an St. Pauls, breite Unterstützung zu finden.

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