Randsportart Rugby: Improvisieren gehört dazu

In Hamburg wird Rugby auf Bundesliga-Niveau gespielt, obwohl die Trainingsbedingungen weit davon entfernt sind.

Beim Rugby sind auch akrobatische Fertigkeiten gefragt: Championship im August 2016 in Südafrika

HAMBURG taz | Hamburg hat drei Rugby-Bundesligamannschaften. Doch professionelle Bedingungen sucht man vergebens, auch weil die „Sportstadt“ Hamburg kaum Unterstützung leistet.

Es ist der Trainingsauftakt eines Bundesligisten nach der Sommerpause. Doch Scharen von Journalisten und Fans, die Stars und die neuen Spieler sehen wollen, sucht man an der Auffahrt des Trainingsgeländes vergebens. Diese ist verschlossen. Der Platzwart sei wohl im Urlaub, sagen die Spieler. Der Platz war bis kurz vor Saisonbeginn gesperrt. Das erste Spiel am Sonntag gegen den RC Leipzig gewann der HRC mit 9:12.

Also wird auf einem benachbarten Stück Grünfläche trainiert, das eher an eine Wiese als an einen gepflegten Rasen erinnert. Die H-förmigen Malstangen („Tore“) und Spielfeldbegrenzungen sucht man vergebens. „Wir arbeiten hier unter ganz schwierigen Bedingungen“ sagt Carsten Segert schulterzuckend: „Jeder Fußballspieler würde bei solchen Zuständen sofort den Verein wechseln.“

Carsten Segert ist einer der ganz wenigen Profitrainer im deutschen Rugby-Geschäft. Doch das ist der einzige Luxus, den sich der am 6. Juni 1950 gegründete Verein leistet. Die einzigen beiden reinen Rugbyplätze in Hamburg teilt sich das Team mit vielen kleineren Vereinen und den anderen beiden Hamburger Bundesligamannschaften – den Herren und den Damen der Rugbyabteilung des FC St. Pauli.

Heute trainiert das HRC-Bundesligateam gemeinsam mit der zweiten Mannschaft des Clubs. So stehen immerhin etwa 35 Spieler auf dem ungemähten Rasen. Keiner von ihnen wird vom Verein bezahlt. Im Gegenteil: Die Akteure zahlen Mitgliedsbeiträge um dabei sein zu können. Dazu kommen Ausgaben für den regelmäßigen Besuch eines Fitnessstudios oder die Ausrüstung.

Zu den Auswärtsspielen nach Hannover, Berlin oder Leipzig geht es meist per Bus – wenn das Geld dafür reicht. Der Etat von etwa 60.000 Euro pro Saison lässt keinen Platz für Bequemlichkeit. „Letztes Jahr sind wir einmal mit dem Metronom nach Hannover gefahren, um Geld zu sparen. Das ist wirklich keine optimale Vorbereitung auf ein Rugbyspiel“, sagt der Spieler Eric Mau, der nebenbei als Teammanager fungierte.

Mau, der sich kurz vor Saisonbeginn nach Neuseeland verabschiedete, kümmerte sich auch um viele organisatorische Angelegenheiten, die der Spielbetrieb mit sich bringt: um die Planung der Auswärtsfahrten oder den Schreibkram mit dem Verband. Natürlich machte Mau das alles ehrenamtlich. Sein Geld verdiente er in einem Unternehmen für Personaldienstleistungen.

Nach dem Übungsmatch geht es zurück zu den Umkleidekabinen – einmal quer durch den Stadtpark

Der Hamburger Rugbyverband hat etwa 1.200 Mitglieder in zehn Vereinen. Der HRC ist die zweitgrößte Rugbyspielgemeinschaft der Stadt. Gut ein Viertel aller Rugbyspieler sind Teil seiner ersten und zweiten Mannschaft, sowie der Jugendabteilung des HRC. Die hat ein Junioren-Team (U19), eine Jugend Mannschaft (U17) und mehrere Schüler-Teams (U15 und jünger).

Beim Training steht heute Leistungsdiagnostik auf dem Programm. Carsten Segert lässt seine Spieler vorwärts und rückwärts zwischen Hütchen hin und her sprinten und nimmt die Zeiten. Was treibt diese Sportler an, allen Widrigkeiten zu trotzen? Darauf kommt von allen Spielern die gleiche Antwort: „Rugby gibt ein einzigartiges Teamgefühl“.

Im Rugby sei man wie eine große Familie, sagt Mau: „Man hat sich über 80 Minuten einen harten Schlagabtausch geliefert, der bessere hat gewonnen und danach trinkt man ein paar Bier zusammen.“

Dabei könnte Mau auch fast mit jedem Zuschauer anstoßen. Etwa 200 beträgt der Zuschauerschnitt bei den Bundesliga-Heimspielen des HRC. Dieser geht bei den Derbys gegen St. Pauli, zu denen auch mal 800 Menschen kommen, für Rugby-Verhältnisse fast durch die Decke. Doch eine so überschaubare Kulisse lockt nur wenige Sponsoren an und der Eintrittspreis für Vollzahler – 2,50 Euro – füllt die Kassen auch nicht. „Das meiste Geld kommt von ehemaligen Spielern, die dem Verein noch verbunden sind“, sagt Mau.

Immerhin hat das in den vergangenen Jahren gereicht, um wenigstens Carsten Segert zu bezahlen. Dafür hat der Trainer auch ein breites Betätigungsfeld: „Meine Aufgabe sehe ich nicht nur darin, die Mannschaft zu trainieren, sondern eben auch Strukturen im Club aufzusetzen, dass man weiterhin erfolgreich arbeiten und sich weiter entwickeln kann.“

Seit zwei Jahren ist er im Verein. Das Team konnte sich in dieser Zeit in der Bundesliga Nord/Ost etablieren, den Abstieg wieder einmal vermeiden – trotz aller Nachteile in der Infrastruktur. „Die Clubs in Hannover und Berlin haben eigene Clubgelände mit Clubhaus. Die haben paradiesische Zustände dort“, schwärmt Segert und ergänzt: „Die Sportstadt Hamburg behandelt uns da sehr stiefmütterlich!“

Dann wird er konkret: „Wir brauchen einen eigenen Platz. Da werde ich drum kämpfen die nächsten Jahre.“ Zum Abschluss des Trainings dürfen diejenigen, die noch genug Kraft in den Knochen haben, ein kleines Übungsmatch austragen. Dann geht es zurück zu den Umkleidekabinen – einmal durch den halben Stadtpark.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.