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Rapper über Feminismus, Zweifel, SchamConny und die Dekonstruktion der Männlichkeit

Der Rapper Conny will mit traditionellen Männlichkeitsbildern aufräumen, ohne mit dem Finger auf andere zu zeigen. Dafür fängt er bei sich selbst an.

„Wer viel über Feminismus spricht, muss viel vor der eigenen Tür kehren“: Conny beim Fotoshooting Foto: David Klammer

Berlin taz | „Frauenquote nein, Männer­limit ja, fast jeder zweite Mensch ist keine Frau, ist dir das klar?“ – so lautet der Refrain des Songs „Männerlimit“ des Rappers Conny. Es ist ein provokanter Satz, mit dem Conny fordert: Wer Gleichstellung ernst meint, muss den Fokus nicht nur auf Frauen, sondern auch auf die strukturelle Überrepräsentation von Männern richten.

Im Mai veröffentlichte Conny sein drittes Album „Manic Pixie Dream Boy, Vol. 3“. Es bildet den Abschluss einer Trilogie, in der der Künstler Fragen von Männlichkeit, Sprache und mentaler Gesundheit verhandelt. Der erste Teil der Albumtrilogie erschien 2021, der zweite folgte 2022. 2006 begann der gebürtige Düsseldorfer, mit seinem Duo Der Plot Musik zu veröffentlichen. 2018 startete er dann sein Soloprojekt unter seinem Künstlernamen Conny, der eine Abkürzung seines Vornamens Constantin ist.

Sein neues Album versteht sich als persönliches Reisetagebuch eines jungen Mannes. Der heute 38-jährige Conny erzählt darin von seinem Weg raus aus dem engen Korsett klassischer Männlichkeitsbilder – und hinein in eine Identität, die feministische Werte nicht nur vertont, sondern auch verkörpert.

Doch sein Projekt wirft auch Fragen auf: Wann wird Selbstkritik zum Teil des Images? Und wie viel Raum nimmt ein Künstler ein, der selbst davon spricht, Platz machen zu wollen?

Männlichkeit ist nicht naturgegeben, sondern veränderbar

„Der Begriff Männlichkeit hat für mich persönlich eine wahnsinnig lange Reise hinter sich“, sagt Conny im Interview mit der taz in seiner Wahlheimat Köln. Er hat lila gefärbte Haare, seine Fingernägel sind pink lackiert. Auf dieser Reise habe er gelesen, zugehört, Therapie gemacht. Der zentrale Gedanke: Männlichkeit ist nicht naturgegeben, sondern veränderbar. Sie sei ein Produkt von Erziehung, Vorbildern, gesellschaftlichen Zuschreibungen – und könne deshalb neugestaltet werden. Diese Erkenntnis zieht sich als Leitmotiv durch seine Texte.

Conny macht Rap – ein Genre, das nicht gerade für seine reflektierte Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen bekannt ist. Selbst aufgewachsen mit stark tradierten Männlichkeitsbildern, will er genau diese in seiner Musik dekonstruieren. Die Sprachlosigkeit beim Thema Gefühle habe er besonders in der Kommunikation zu seinem eigenen Vater erlebt, erzählt er.

Aber auch Rapper und Superheldenfiguren wie Spiderman hätten sein Selbstbild geprägt, als Mann stark, muskulös und laut sein zu müssen. In seinem Song „Kleiner Junge“ richtet er sich deshalb an sein 13-jähriges Ich, das sehr unter dem Druck litt, „ein wertiger Mann“ sein zu müssen. Statt Dominanz und körperliche Stärke rückt er in seinen Songs Gefühle wie Scham, Verletzlichkeit und Sprachlosigkeit in den Fokus: „Männer sprechen nicht nur eine Muttersprache, sondern auch ein Vaterschweigen.“

Besonders das Thema Scham sei autobiografisch, sagt er. „Mein lyrisches Ich ist sehr nah an mir persönlich.“ Doch nicht nur individuelle Emotionen stehen im Zentrum seiner Musik. Conny ist es wichtig, als privilegierter Mann seine Position zu reflektieren – etwa im Hinblick auf Machtverhältnisse: „Eine der entscheidenden Aufgaben für Männer ist es, die Macht des Patriarchats aufzuarbeiten und uns klarzumachen, aus was für einer Position wir sprechen.“

Dass feministische Männer sich dabei aber häufig um sich selbst drehen, versucht Conny in seinem Song „Zahnpastalippen“ aufzubrechen, indem er in einem aus seiner Sicht erzählten Dialog seiner Freundin das Wort gibt: „Du schaust auf meinen Nagellack und runzelst deine Stirn, sagst allein dadurch lässt Männlichkeit sich nicht dekonstruieren.“

Mann mit Männerlimit

Doch der Wille zur Veränderung soll bei Conny nicht bei der künstlerischen Auseinandersetzung stehenbleiben. Denn auch in seinem Team versucht er, feministische Prinzipien praktisch umzusetzen. Ein zentraler Begriff ist für ihn deshalb das sogenannte Männerlimit, das er bei einer Lesung des Männerforschers Christoph May kennenlernte. Die Perspektive zu drehen – weg von der „Frauenquote“ und hin zur Frage, welche Räume Männer verlassen müssen – war für ihn ein entscheidender Moment.

Mindestens die Hälfte der Menschen auf und hinter der Bühne seien im Projekt Conny nicht cis-männlich, so der Musiker. Dabei sei ihm bewusst, dass er als cis-Mann Aufmerksamkeit erhalte, gerade weil er sich lautstark feministisch positioniert. Um sie auch weiterzureichen, lädt Conny häufig weibliche Featuregäste ein und besetzt sein Management ausschließlich mit Frauen.

Conny spricht offen über die eigenen Widersprüche. Über früheres Fehlverhalten, über das Idealbild eines „perfekten Feministen“, das sich mit dem Alltag – etwa bei der Verteilung von Hausarbeit – nicht immer deckt. Über den privaten Aushandlungsprozess, in dem man als Mann auch mal zuhört und nicht so viel Raum einnimmt.

Jemand, der so viel über Feminismus redet, muss im wahrsten Sinne des Wortes viel vor seiner eigenen Tür kehren

Conny

Auf die Frage, ob sein Haushalt unter seiner Karriere leidet, antwortet er mit Selbstironie: „Jemand, der so viel über Feminismus redet, muss im wahrsten Sinne des Wortes viel vor seiner eigenen Tür kehren.“ Wenn man im Privaten nicht das lebe, was man öffentlich propagiere, dann seien auch die größten Songtexte nur halb so viel Wert.

Aber auch eine Fehlerkultur bräuchte es in feministischen Diskursen. Conny erzählt, dass er erst mit Ende 20 begann, sich mit feministischen Themen auseinanderzusetzen. Selbstkritisch berichtet er, dass er sich in der Vergangenheit Frauen gegenüber nicht immer korrekt verhalten habe. Zugleich, so betont er, müsse man in der feministischen Community einen Weg im Umgang mit Männern finden, die sich verändern wollen, aber nicht frei von vergangenem Fehlverhalten sind. Wie genau dieser Weg aussehen könnte und wer ihn definieren sollte, ließ er allerdings offen.

Conny macht feministische Musik in einem Genre, in dem sich nach wie vor nur wenige Männer feministisch positionieren. Seine Versuche, Macht abzugeben, Kritik anzunehmen und andere Perspektiven hörbar zu machen, sind deutlich hör- und sichtbar – sowohl in seiner Musik als auch in seinen Arbeitsstrukturen.

Und genau hier setzt Connys künstlerische Praxis an: bei der ständigen Selbsthinterfragung. Seine Musik ist kein fertiges Manifest, sondern ein offener Prozess. Wer ihm zuhört, merkt: Hier will sich niemand als moralische Instanz aufspielen. Stattdessen geht es um die Bereitschaft, sich selbst in die Verantwortung zu nehmen. Aber auch um sein Ziel, vielleicht als Vorbild in der häufig sexistischen Rapmusik zu fungieren: „Ich möchte, dass Männer meine Songs hören, weil ich eine alternative Art von Männlichkeit darstellen möchte.“

Connys Botschaft ist klar: Feminismus braucht mehr als Symbole. Er verlangt den Willen, Macht zu hinterfragen und Strukturen zu verändern. In gesellschaftlichen Fragen ebenso wie im Alltag.

Vielleicht beginnt genau dort eine neue Männlichkeit: Nicht im perfekten Verhalten, sondern im ehrlichen Bemühen zur Veränderung und in der Bereitschaft, Platz zu machen.

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