piwik no script img

Rassismus an der DiskotürHier darf nicht jeder rein

Die Disko „Twister“ in Friesland diskriminiert seit über 20 Jahren offen „Ausländer“ und „ausländische Mitbürger“. Gestört hat das bis jetzt niemanden.

Diskokugel: Im „Twister“ sollen „ausländische Mitbürger“ nicht drunter tanzen Foto: Britta Pedersen/dpa

Von

Aljoscha Hoepfner aus Oldenburg

taz | „Du kommst hier nicht rein.“ Diesen Satz bekommen Schwarze und andere People of Color häufig ohne erkennbaren Grund an der Tür von Clubs und Diskotheken zu hören. Selten können Betroffene jedoch belegen, dass sie wegen ihres Aussehens oder ihrer Herkunft nicht reingelassen wurden. Anders im friesländischen Sande. Hier schreibt die Großraumdisko „Twister“ ganz offen auf ihrer Internetseite, wer an der Tür genauer kontrolliert wird.

In den Einlassregeln erklärt die Disko unter dem Stichpunkt „Nationalität“: „Das Twister Dance ist keineswegs ausländerfeindlich. Da es aber in der Vergangenheit des öfteren Auseinandersetzungen mit ausländischen Mitbürgern gegeben hat, wird hier beim Einlass ein besonderes Augenmerk gelegt.“ Dabei sei entscheidend, „ob die Personen beim Personal bekannt sind und ob sie von ihrer Kleidung her zu unserer Gästestruktur passen“.

„Das ist Rassismus“, sagt der Aktivist Suraj Mailitafi. Er hat am Donnerstag in einem Instagram-Video auf die diskriminierende Einlassregel aufmerksam gemacht. „Menschen werden nach ihren äußerlichen Merkmalen kategorisiert.“ Viele Clubs leugneten Diskriminierung beim Einlass. „Aber bei „Twister Dance“ steht es eins zu eins auf deren Website“, so Mailitafi.

Augenmerk auf „ausländische Mitbürger“

Ein „besonderes Augenmerk“ auf „ausländische Mitbürger*innen“ zu legen und sie damit anders zu behandeln ist in der Tat nicht nur durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes verboten.

Seit der Reform des Gaststättengesetzes aus dem Jahr 2015 gilt es in Niedersachsen als Ordnungswidrigkeit, „bei der Kontrolle des Einlasses in eine Diskothek oder beim Aufenthalt in einer Diskothek eine Person wegen der ethnischen Herkunft“ zu benachteiligen. Die Strafe beträgt bis zu 10.000 Euro. Wie­der­ho­lungs­tä­te­r*in­nen kann sogar der Betrieb ihrer Diskothek verboten werden.

Menschen werden nach ihren äußerlichen Merkmalen kategorisiert.

Suraj Mailitafi, Aktivist

Die Regel zur „Nationalität“ gibt es schon seit mehr als 20 Jahren, wie archivierte Versionen der „Twister“-Internetseite zeigen. Die einzige Änderung seit 2005: die „ausländischen Mitbürger“ waren damals schlicht „Ausländer“. Disko-Inhaber Manfred Krüger hat in der Vergangenheit auch die inzwischen geschlossenen Diskotheken „Bel Air“ in Cloppenburg und „Galaxy“ in Georgsheil betrieben. Auf deren Internetseiten fand sich ebenfalls wortgleich die diskriminierende Einlassregelung. Das macht die Begründung, die Regel sei wegen bestimmter Vorfälle im „Twister“ nötig geworden, wenig glaubhaft.

Nach massiver Empörung in den sozialen Medien durch Mailitafis Video hat das „Twister“ die diskriminierende Einlassregel am Freitagnachmittag von seiner Internetseite entfernt. Geäußert hat sich die Disko dazu aber nicht. Die taz wollte wissen, wie genau sie die Nationalität ihrer Gäs­t:in­nen feststellt und ob die Regel im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben steht. Auf die Anfrage hat das „Twister“ bis Redaktionsschluss nicht reagiert.

Seit mehr als 20 Jahren Diskriminierung

Das „Twister“ ist im Nordwesten eine Institution des Nachtlebens. Von Jever bis Jeddeloh pilgern Partyfreudige seit 25 Jahren in die Großraumdisko nach Sande. Mit ihrer namensgebenden drehbaren Tanzfläche ist sie die Hauptattraktion der knapp 9.000 Ein­woh­ne­r:in­nen großen Gemeinde.

Nachdem die Diskothek 2023 vollständig niederbrannte, war die Anteilnahme groß. Der Bürgermeister betonte die Bedeutung der Disko für den Ort und Gäs­t:in­nen unterstützten den Wiederaufbau per Crowdfunding mit 23.000 Euro. Erst diesen September öffnete das „Twister“ wieder seine Türen.

Dass das „Twister“ offen „Ausländer“ und „ausländische Mitbürger“ diskriminiert, ist in all den Jahren entweder niemandem aufgefallen oder es hat sich niemand daran gestört. Ob die Diskriminierung nun ein Ende hat, nur weil das „Twister“ sie nicht mehr offen zugibt, ist fraglich.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ungeheuerlich wie hier in Deutschland mit Mitmenschen umgegangen wird. Rassismus gegenüber ihren Mitmenschen scheint einigen Menschen im Blut zu liegen. In Oldenburg laufen aktuell Ermittlungen in einem Fall, wo ein junger schwarzer Mann [ Lorenz A. ] in der Nacht zu Ostern durch Schüsse von hinten, von einem Polizisten erschossen wurde. Die örtliche Presse berichtet vor zwei Tagen, dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg überlegt ob sie überhaupt ein Strafverfahren eröffnen will, dabei wurden bei den Ermittlungen durch eine benachbarten Polizeidienststelle, weder Zeugen verhört, noch ein Handy von Kollegen des Polizisten ausgewertet, nicht einmal die Situation, als es in der Tatnacht zu den Todesschüssen kam, wurde mit Personen Rekonstruiert. Es ist einfach nicht zu fassen. So etwas heißt dann in Behördensprech " Wir werden bei den Ermittlungen kein Stein auf dem anderen Stein lassen. " Eine total Blamage für unser Land und was für eine Auffassung von Rechtsstaatlichkeit herrscht da bei unseren Gerichten ? Es ist nur zu hoffen, die Generalstaatsanwalt hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg im Auge !