Rassismus beim Karneval: Eine Frage des Kontexts

In Bayern rollt ein „Asyl-Panzer“, in Thüringen springen „Flüchtlingsheuschrecken“ um den „Balkan Express“. Das soll Satire sein – ist aber Hetze.

Ein Karnevals-Wagen in Gestalt eines Panzers mit der Aufschrift „Ilmtaler Asylabwehr“ fährt eine Straße entlang

Wo ist der Untschied zwischen einem Karnevalsumzug und einem Pegida-Aufmarsch? Foto: dpa

Kleine Fingerübung für den Nachwuchs-Satiriker: Wenn ein „Asylpaket II“ verabschiedet wird, dessen einzig erkennbarer Zweck die Abschreckung von Schutzsuchenden ist und gleichzeitig Politiker in aller Öffentlichkeit darüber debattieren, ob man die Grenzen nicht nur für Flüchtlinge schließen, sondern auch gleich auf sie schießen könne und wenn ja, auf wen – auch Frauen und Kinder? Nur die Frauen, nicht die Kinder? Und was ist mit schwangeren Kindsfrauen? –, wie könnte man einen Motivwagen für einen Karnevalsumzug im, sagen wir, bayerischen Ilmtal gestalten, der das überspitzt darstellen soll? Ein wehrmachtsnah aussehender Panzer mit den Schildern „Asylpaket III“ und „Ilmtaler Asylabwehr“ wäre durchaus naheliegend als Kritik an der völlig verrohten Flüchtlingsdebatte.

Nun ist so ein Panzer tatsächlich auf diesem Karnevals­umzug mitgerollt. Satire oder Hetze? Es ist eben immer eine Frage des Kontexts. Im konkreten Fall ist leider niemand auf die Idee gekommen, die Darstellung als Kritik an der verbalen Aufrüstung gegen Flüchtlinge zu deuten. Die Initiatoren selbst am allerwenigsten. Dem Donaukurier erklärten sie, es handle sich um Protest gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Selbstverständlich habe man aber mit Rechten nichts am Hut. Klare Sache: Man wünscht sich Panzer gegen Asylsuchende, wählt dafür eine optische Anmutung, die an das Deutsche Reich erinnert, weil mit den heutigen Bundeswehrluschen ja nichts mehr anzufangen ist, aber was soll daran bitte rechte Hetze sein?

Dieselbe Frage stellen empört auch Karnevalisten im thüringischen Wasungen, die eine Eisenbahn als „Balkan Express“ und mit der subtilen Botschaft „Die Ploach kömmt“ (Die Plage kommt) beschriften. Dazu haben sie sich als Heuschrecken verkleidet. Auf die Frage, ob sie Flüchtlinge als Plage bezeichnen wollen, wehren sie vehement ab. Es handele sich vielmehr um eine historische Anspielung auf das hundertjährige Jubiläum des Balkan-Expresses. Leider vergaßen sie zu erwähnen, dass es sicher auch eine Hommage an Flip, den Grashüpfer von der Biene Maja, sein soll.

Im sächsischen Altenberg lässt man als Indianer verkleidete Frohnaturen um ein Tipi herumhüpfen, versehen mit der nachdenklich stimmenden Aufschrift: „Die Indianer konnten nichts gegen die Einwanderung tun. Heute leben sie in Reservaten.“ Das ist vermutlich nur selbstironisch gemeint angesichts der Tatsache, dass die heutigen Sachsen einst die Neandertaler durch Einwanderung verdrängt haben. Ein bisschen Spaß muss sein!

Wo genau liegt noch der Unterschied zwischen einem Karnevalsumzug und einer Pegida-Demonstration – man denke nur an den Merkel-Galgen?

Karneval, so ein klassischer Erklärungsansatz, sei die institutionalisierte Gelegenheit, bei der „das Volk“ Druck gegen „die da oben“ ablassen könne. Gedeckt durch die Narrenfreiheit, ungeschönt, aber auch folgenlos. Eine Ventilfunktion also. Letztlich sei der Karneval damit systemstabilisierend, weil der Unmut gegen die Regierenden kanalisiert und wirkungslos werde. Im Fall der zu Motivwagen geronnenen Internet-Hass-Kommentare des diesjährigen Karnevals möchte man sich wünschen, das treffe zu.

Vielleicht sollte man das dann einfach konsequent weiterdenken: Wo genau liegt noch der Unterschied zwischen einem Karnevalsumzug und einer Pegida-Demonstration – man denke nur an den Merkel-Galgen? Wo offenkundige Jecken wie Festerling, Höcke und Bachmann Büttenreden halten? Wollen wir nicht einfach die Karnevalszeit ganzjährig ausdehnen, jeden Montag zum Rosenmontag und Dresden und Erfurt zu neuen Karnevalshochburgen machen? Dann wären die „Wir sind das Volk“-Schreier endgültig auch ganz offiziell die Narren, die sie sind. Es ist eben, siehe oben, letztlich immer alles eine Frage des Kontexts.

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