Rassismus gegen Minderheit in Schweden: Deckmantel Coronaschutz

Ein früherer norwegischer Justizminister fordert, das Militär zum Grenzschutz einzusetzen. Die Bedrohung? Ein paar Dutzend Samen und ihre Rentiere.

Rentiere überqueren eine Straße im Wald

Rentiere kennen keine Grenzen – und die Samen folgen bis heute dem Zug ihrer Rentiere Foto: Metodi Popow/imago

TÄLLÄNG taz | „Bizarr“, mehr könne man zu diesem Vorstoß wohl nicht sagen, sagt Björn Nilsson, Landrat der nördlichsten schwedischen Provinz Norrbotten. Den Einsatz von Militär zum Grenzschutz hat Per-Willy Amundsen, justizpolitischer Sprecher der norwegischen Fortschrittspartei jetzt vorgeschlagen. Um Norwegen wovor zu schützen? Vor schwedischen Samen und ihren Rentieren.

Norwegen, Finnland und Dänemark halten wegen der deutlich höheren Covid-19-Infektionszahlen in Schweden ihre Grenzen gegenüber den SchwedInnen nach wie vor geschlossen. Grenzverkehr gibt es trotzdem, etwa für Arbeitspendler oder andere „dringende“ Gründe. Eine lückenlose Überwachung ist sowieso unmöglich. Mehr als 200 Straßen verbinden Schweden und Norwegen, Tausende Feld- und Waldwege nicht eingerechnet.

Und weil die Samen dem Zug ihrer Rentiere folgen, die nun mal keine Grenzen kennen, gelten diese Grenzen für sie sowieso nicht. Das war 1751, als in Lappland erst mal überhaupt nationale Grenzen gezogen wurden, im „Lappkodicillen“, einer Art Magna Charta der Samen, festgelegt worden. Die gilt bis heute. Auch die im März erlassenen norwegischen Corona­grenzvorschriften enthalten deshalb eine spezielle Ausnahme.

Wie kann man also auf die Idee kommen, ausgerechnet einige Dutzend Samen als gefährlichste Infektionsverbreiter einzustufen, gegen die man Militär einsetzen solle, „weil die ja beim Einkaufen unsere Lokalbevölkerung treffen könnten“ (Amundsen)? Wer das vorschlage, wolle ganz einfach nur Stimmung gegen die Samen machen, meint Per-Olof Nutti, Präsident des schwedischen Samenparlaments: „Auch Rentiersamen nehmen die Situation, in der wir uns befinden, sehr ernst. Die überqueren die Grenze ja nicht zum Spaß, oder um norwegische Bürger und Politiker zu ärgern, sondern folgen wie seit ewigen Zeiten der Wanderung ihrer Tiere.“

Bloße Unkenntnis? Amundsen ist für Rassismen bekannt

Es könnte bloße Unkenntnis sein, wenn man die Samen zur Infektionsgefahr hochstilisiert. Aber von Per-Willy Amundsen ist eine lange Liste rassistischer Ergüsse bekannt. Im Juni verteidigte er Oslos Polizei gegen den Vorwurf von Racial Profiling. Das sei geradezu Pflicht der Polizei: „Denn wer ist es denn, der Banden- und Jugendkriminalität organisiert?“

Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg hatte Amundsen zwischen 2016 und 2018 als Justizminister an ihrem Kabinettstisch sitzen. Bizarr.

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