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Razzia bei Kärntner Antifa-CampPolizeieinsatz in Österreich war rechtswidrig

Der massive Polizeieinsatz in der NS-Gedenkstätte Peršmanhof war rechtswidrig. Das stellt nun ein Bericht des österreichischen Innenministeriums fest.

Pressekonferenz der Be­trei­be­r*in­nen des Peršmanhofs und des Bildungscamps zum Endbericht der vom Innenministerium eingesetzten Kommission Foto: Georg Hochmut/APA/picture alliance

Bei einem antifaschistischen Bildungscamp an der NS-Gedenkstätte Peršmanhof in Kärnten kam es am 27. Juli zu einem massiven Polizeieinsatz, der viele Fragen aufwirft. Um diese zu beantworten, setzte das österreichische Innenministerium eine Ex­per­t*in­nen­kom­mis­si­on ein, die am Donnerstag ihren Bericht vorlegte.

Das Antifa-Camp veranlasste die Polizei zu einem großangelegten Einsatz auf dem abgelegenen Gedenkstättengelände in den Bergen – obwohl die Veranstaltung mit Unterstützung der Gedenkstätte stattfand. Beteiligt waren das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE), die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), acht Streifenbeamt*innen, drei Mitglieder der Schnellen Interventionsgruppe, eine Diensthundeführerin mit ihren Hunden sowie ein Polizeihubschrauber.

Offiziell begründet wurde das Vorgehen mit Verstößen gegen das Campingverbot und Anstandsverletzungen. Der Einsatz löste Entsetzen bei den Nachfahren der NS-Opfer, scharfe Proteste aus der slowenischen Politik und ein breites Medienecho aus.

Der Ort ist eine zentrale Gedenkstätte der Kärntner Slowen*innen, weil in den Abendstunden des 25. April 1945 elf Mitglieder der Familien Sadovnik und Kogoj von einem SS-Polizeiregiment ermordet wurden – darunter sieben Kinder im Alter von einem bis zwölf Jahren. Nachfahren der Opfer verurteilten das jüngste Vorgehen der Polizei daher als retraumatisierend und unsensibel.

Das Ergebnis der eingesetzten Kommission fällt eindeutig aus: Der Einsatz war unverhältnismäßig, unter falschem Vorwand durchgeführt, von der falschen Behörde geleitet – und letztlich rechtswidrig.

Willkür der Einsatzleiter

Laut dem Bericht liegt die Hauptverantwortung für den Einsatz beim stellvertretenden Leiter des LSE, der das Vorgehen mit „Beschwerden aus der Bevölkerung“ rechtfertigte. Allerdings konnte keine einzige Person ausfindig gemacht werden, die sich über das Zeltlager beschwert hat. Der Beamte gab an, eine Beschwerde von einer Privatperson erhalten zu haben, wisse jedoch nicht, wie diese heiße. Ein ungewöhnlicher Anlass für einen solch massiven Polizeieinsatz. Der Mann wurde inzwischen einer anderen Dienststelle zugewiesen. Zudem wurde ein Verfahren wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch eingeleitet.

Der behördliche Einsatzleiter war Bezirkshauptmann Gert-André Klösch, der sowohl im Vorfeld eingebunden war als auch während der Amtshandlung weitgehend vor Ort. Klösch stand in der Vergangenheit in der Kritik, weil er jahrelang das „Kroatengedenken“ im nahegelegenen Bleiburg/Pliberk geduldet hat – eine Veranstaltung, bei der über Jahre Tausende Teil­neh­me­r*in­nen die kroatischen Nazikollaborateure der Ustascha verherrlichten. Umso absurder wirkt das Vorgehen gegen das kleine antifaschistische Camp in den Bergen mit rund 60 Teilnehmenden. Klösch ist weiterhin im Amt.

Wildcampen ist kein Extremismus

Nach Einschätzung der Kommission war das LSE Kärnten für den Einsatz nicht zuständig, da es sich beim Wildcampen nicht um Extremismus handelt. Hinsichtlich möglicher Verstöße gegen die Campingplatzverordnung kommt die Kommission zu dem Schluss, dass lediglich zwei Zelte außerhalb des Gedenkstättengeländes aufgestellt waren – diese hätte die Polizei kontrollieren dürfen. Die Identitätsfeststellung aller Teil­neh­me­r*in­nen des Antifa-Camps war jedoch unzulässig.

Der Bericht widmet sich ausführlich der Geschichte des Peršmanhofs und der Verfolgung der Kärntner Slowen*innen. Der Einsatz richtete sich laut Kommission zwar nicht gegen die Volksgruppe oder die Gedenkstätte selbst, wohl aber gegen das „pauschal als linksextrem wahrgenommene Antifa-Camp“. Ziel sei gewesen, die Identitätsdaten der Teilnehmenden zu erfassen.

Um an diese Daten zu gelangen, zeigte die Polizei bemerkenswerte Kreativität bei der Begründung ihres Vorgehens. So wurde etwa der Einsatz des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) damit gerechtfertigt, dass Ausländer vor Ort gewesen seien. Einer 24-jährigen Person mit deutscher Staatsbürgerschaft drohten die Behörden nach der Polizeikontrolle sogar mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme – sprich: Ausweisung. Die taz berichtete.

Ein Vorgehen gegen die slowenische Minderheit in Kärnten und die Gedenkstätte war laut Bericht nicht das Ziel des Einsatzes. Den Verantwortlichen war jedoch offenkundig egal, dass ein solches Vorgehen tiefe Wunden bei den Nachfahren der Opfer und Angehörigen der Kärntner Slo­we­n:in­nen hinterlässt. Angehörige der Minderheit wiederum betonten bei einer Pressekonferenz am Freitagmorgen, dass sie das Vorgehen durchaus als Angriff auf sich als Gruppe sehen.

Ortstafeln beschmiert

Der Bericht wird die offenen Wunden kaum schließen können – auch weil die konservative ÖVP und die rechtspopulistische FPÖ in Kärnten nicht den Polizeieinsatz, sondern den Bericht kritisieren. Der Rechtsanwalt Rudi Vouk sagt: „Die Reaktionen auf den Bericht sind ein Skandal. Der Innenminister hat es nicht über die Lippen gebracht, sich bei den direkten Betroffenen zu entschuldigen.“ Auch die slowenische Außenministerin Tanja Fajon fordert eine Entschuldigung bei den Teil­neh­me­r*in­nen des Camps.

In der Umgebung des Peršmanhofs wurden zudem in der vergangenen Woche acht zweisprachige Ortsschilder beschmiert, wobei die slowenischen Ortsbezeichnungen im zweisprachigen Gebiet unkenntlich gemacht wurden – sieben in Bad Eisenkappel/Železna Kapla und eines in Bleiburg/Pliberk. Die Schmierereien haben in der Region einen hohen symbolischen Charakter, da die Kärntner Slo­we­n:in­nen jahrzehntelang im sogenannten Ortstafelstreit um ihre Minderheitenrechte kämpfen mussten.

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