Razzia in der Moschee: Mit der Axt in den Gebetsraum

In Hildesheim haben 400 Polizisten die Räume eines Salafistenvereins durchsucht. Landregierung will ein Verbot der Gruppierung.

Riesen Aktion, keine Festnahmen: Die Polizei beschlagnahmte dafür Geld und Laptops. Foto: Chris Grossmann (dpa)

GÖTTINGEN taz | Sie kamen mit Maschinenpistolen, etlichen Fahrzeugen und schwerem Gerät. Rund 400 Polizisten haben am Mittwochabend die Moschee des „Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim“ (DIK) und acht Wohnungen seiner Vorstandsmitglieder durchsucht. Ihr Auftrag: Beweise sichern für ein von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) angestrebtes Verbotsverfahren. Verfassungsschützer gehen davon aus, dass der DIK salafistische Muslime radikalisiert und Kämpfer für den IS anwirbt.

Die Beamten brachen die Tür des Gebetshauses auf und schlugen mit Äxten auch Fenster ein, wie Augenzeugen berichteten. Während des Einsatzes war die Martin-Luther-Straße von Einsatzfahrzeugen blockiert. Bei der Razzia stellten die Beamten nach eigenen Angaben zahlreiche Beweismittel sicher: Mobiltelefone und Laptops, Festplatten, Speichermedien, Schriftstücke „sowie rund 25.000 Euro Bargeld“, erklärte am späten Donnerstagnachmittag das Innenministerium. Festnahmen gab es demnach keine nicht.

Ob die beschlagnahmten Unterlagen für ein Verbot reichen, ist fraglich. Es wurde darüber spekuliert, die Vereinsmitglieder hätten belastende Akten verschwinden lassen, nachdem die Neue Presse über einen bevorstehenden Schlag gegen den DIK berichtet und den Verein kontaktiert hatte.

Verfassungsschutz und Innenministerium jedenfalls sehen den DIK als „bundesweiten Hotspot der radikalen Salafistenszene“. Eine Indoktrinierung der Gläubigen und ihre Anwerbung für den Dschihad soll demnach weniger beim Gebet, „sondern in Seminaren und Hinterzimmern hinter verschlossener Tür“ erfolgen. Mehrfach sollen in der Vergangenheit überregional aktive Prediger zu Besuch gewesen sein. In ihren Predigten, Seminaren und Vorträgen werde auch zum „Hass gegenüber Ungläubigen“ aufgerufen, so das Innenministerium.

Etwa 20 der insgesamt 74 bislang in die IS-Kampfgebiete in Syrien und im Irak ausgereisten Niedersachsen sollen einen Bezug zum DIK haben. Der ehemalige Schriftführer des Vereins soll auch an Kämpfen teilgenommen haben; der Ex-Vorsitzende beim ersten Ausreiseversuch noch gestoppt worden sein, sich dann aber dennoch unerkannt abgesetzt haben.

„Wir nehmen es nicht hin, wenn salafistische Vereine und ihre Hintermänner die bei uns geltenden Regeln ignorieren, sogar die verfassungsmäßige Ordnung infrage stellen, und junge Menschen davon überzeugen wollen, sich dem selbsternannten IS anzuschließen“, sagte Pistorius. „Das werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen.“ Er sei „überzeugt, dass unsere Freiheit stärker ist als die menschenverachtende Ideologie der Extremisten.“

Aus Sicht der CDU ist die Durchsuchung „viel zu spät“ erfolgt: „Wir fordern bereits seit 2013 die Beobachtung islamistischer Moscheen“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Jens Nacke. Er greift damit offenbar die Stimmung zumindest einiger Anwohner auf.

„Das wurde auch Zeit, das ist doch hier unerträglich. Eine Katastrophe“, sagte ein Nachbar der Moschee der Lokalzeitung. Er ärgere sich besonders über die wöchentlichen Freitagsgebete, weil er dann keinen Parkplatz mehr finde: „Und erst der ganze Krach. Da kommst du nicht in den Schlaf.

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