Reaktion auf Granatenbeschuss: Türkei greift in Syrien ein

Nach dem Granatenbeschuss einer Grenzstadt hat die Türkei Ziele in Syrien angegriffen. Die Nato betont, Assad habe das internationale Recht verletzt.

Die türkische Grenzstadt Akcakale nach einem Bombeneinschlag. Bild: dpa

ANKARA/BEIRUT dapd/rtr | Das türkische Militär hat am Donnerstagmorgen seinen Angriff auf einen syrischen Militärstützpunkt nahe der Grenze fortgesetzt. Ziel sei die Region um die Stadt Tel Abjad gewesen, die rund zehn Kilometer von der gemeinsamen Grenze entfernt liegt, hieß es in türkischen Sicherheitskreisen. Mehrere Angehörige der syrischen Regierungstruppen seien getötet worden.

Nach einem Granatenbeschuss aus dem Nachbarland hatte Ankara bereits am Mittwoch mit Vergeltungsangriffen reagiert. Die Nato verurteilte in einer Dringlichkeitssitzung den Vorfall, bei dem in einem türkischen Grenzdorf am Mittwoch fünf Menschen getötet wurden.

Das türkische Parlament will am Donnerstag über ein Gesetz zur Regelung militärischer Angriffe in Syrien debattieren. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich besorgt und mahnte zur Besonnenheit.

Nach dem Einschlag einer in Syrien abgefeuerten Granate in dem Dorf Akcakale schossen die türkischen Streitkräfte zurück. „Die Türkei wird, handelnd nach den Einsatzregeln und dem internationalen Recht, niemals solche Provokationen des syrischen Regimes gegen unsere nationale Sicherheit unerwidert lassen“, hieß es in einer Erklärung des Büros von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.

Die Situation werde genauestens beobachtet, hieß es bei der Nato in Brüssel. Der Bündnisfall nach Artikel fünf des Vertrags der Allianz wurde nicht ausgerufen, aber nach Artikel vier wurden weitere Konsultationen vereinbart. US-Außenministerin Hillary Clinton sagte in Washington, es sei eine „sehr gefährliche Lage“ entstanden. Die syrische Regierung füge ihrem eigenen Volk beispielloses Leid einzig aus dem Grund zu, sich an der Macht zu halten.

Gesetz soll Angriffe wie im Norden des Iraks regeln

Türkischen Medienberichten zufolge will sich auch das Parlament des Landes am Tag nach dem Zwischenfall mit dem Thema befassen. Dabei sollte demnach über ein Gesetz debattiert werden, das Gegenangriffe künftig vereinfachen könnte. Der Entwurf ähnele dem, der Operationen im Norden des Iraks zur Jagd auf kurdische Extremisten autorisiere, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu.

Sollte ein solches Gesetz in Kraft treten, würde es Ankara eine Möglichkeit zu einseitigen militärischen Angriffen in Syrien eröffnen – ohne in jedem Einzelfall zunächst Absprachen mit den westlichen Verbündeten in der Nato oder arabischen Staaten treffen zu müssen.

Bei den Opfern des Angriffs vom Mittwoch handelte es sich um zwei Frauen und drei Kinder, wie Anadolu am Abend unter Berufung auf den Gouverneur der Provinz Sanliurfa, Celattin Güvenc, berichtete. Westerwelle erklärte, er habe seinem türkischen Kollegen Ahmed Davutoglu Anteilnahme für die Toten und Verletzten übermittelt.

„Wir sind in großer Sorge“, sagte der FDP-Politikler. „Die erneute Verletzung der territorialen Integrität der Türkei aus Syrien ist ein schwerwiegender Vorgang.“ Er haben Davutoglu seine Empörung darüber ausgedrückt. „Ich habe ihn gleichzeitig gebeten, bei aller verständlicher Empörung mit Besonnenheit und mit dem Blick für die außerordentlich gefährliche Lage in der ganzen Region zu handeln.“

Syrien spricht Beileid für Opfer von Beschuss aus

Die Regierung in Damaskus leitete laut Medienberichten eine Untersuchung ein. Das syrische Informationsministerium habe zugleich sein Beileid für die Opfer ausgesprochen, berichtete der türkische Fernsehsender NTV. Den Angaben zufolge forderte das Ministerium die Türkei aber auch dazu auf, die grenzüberschreitende Infiltration von Kämpfern zu verhindern, die wie bereits in früheren syrischen Stellungnahmen als Terroristen bezeichnet wurden.

Die Türkei hat seit Beginn der Gewalt in dem Nachbarland vor mehr als 18 Monaten etwa 90.000 Flüchtlinge aufgenommen. Damaskus wirft Ankara vor, auch Kämpfer der syrischen Opposition zu unterstützen. Die Lage zwischen den beiden Ländern war schon einmal im Juni stark angespannt, als die syrische Flugabwehr einen türkischen Kampfjet abschoss. Der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc erklärte am Mittwoch: „Ich hoffe, das ist Syriens letzte Verrücktheit. Syrien wird zur Verantwortung gezogen.“

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