Rechte Anschläge in Berlin: Angriff auf Flüchtlingsheim

Unbekannte schleudern eine Flasche in einen Schlafraum und hinterlassen Hakenkreuze an der Fassade des abgelegenen Heims in Waßmannsdorf. In Neukölln wird erneut ein linker Jugendtreff attackiert

Nazis raus - in Waßmannsdorf hat das nicht funktioniert. Bild: AP

Mitten in der Nacht, um 1.30 Uhr, knallte das Fenster, sagt die junge Afghanin. Ein Glasbehälter mit brauner Farbe sei in ihr Zimmer im Erdgeschoss geflogen. Dort habe sie mit ihrer Schwester geschlafen, Spritzer hätten sie getroffen. Danach habe sie sich aus Furcht auf den Boden gekauert, erzählt die Frau am Dienstag. Noch immer wirkt sie völlig verunsichert.

Die Angreifer, die in der Nacht zu Dienstag das Flüchtlingsheim im brandenburgischen Waßmannsdorf attackierten, beließen es nicht dabei. Zwei Nottüren hinterm Haus versuchten sie einzuschlagen. An der Fassade hinterließen sie mit silberner Farbe ein Hakenkreuz, ein Meter mal ein Meter groß, und eine unverhohlene Drohung: „Rostock ist überall“. Gemeint ist Rostock-Lichtenhagen, wo Rechte vor 20 Jahren ein Asylbewerberheim anzündeten und die dortigen Bewohner in Todesgefahr brachten. Die Polizei bestätigte den Angriff. Nun ermittelt der Staatsschutz.

Am Tag danach steht Landrat Stephan Loge (SPD) vor dem Heim und schüttelt den Kopf. „Menschenverachtend“ sei der Angriff. „Und das an einem Ort, wo Menschen Schutz suchen.“ Auch Tobias Pieper vom Brandenburger Verein Opferperspektive ist erschüttert: „Einen so offensiven Angriff, eine so klare Drohung, das hat es hier lange nicht gegeben.“ Die beiden Frauen, die seit zwei Jahren in Waßmannsdorf leben, sprechen von Angst. In eine Wohnung wollten sie am liebsten, nicht mehr zurück in ihr Zimmer.

Es ist nicht der erste Angriff auf das Flüchtlingsheim in dem Ortsteil von Schönefeld gleich hinter der Berliner Stadtgrenze. Im Mai wurden zwei Kinderwagen in dem Heim angezündet. Die Täter blieben unbekannt. Diesmal könnte der Angriff im Zusammenhang mit einem Marsch von Flüchtlingen stehen, die aus Protest gegen ihre isolierten Lebensverhältnisse aus dem bayerischen Würzburg nach Berlin liefen und hier am Samstag eintrafen. Rechtsextreme hatten dagegen gehetzt, die NPD rief dazu auf, den Marsch zu stören.

In Waßmannsdorf kamen die Täter offenbar nicht von weither angereist: Den Schriftzug „NW Berlin“ hinterließen sie an der Fassade – für „Nationaler Widerstand“, ein rechtsextremes Netzwerk aus der Hauptstadt.

Die Parole prangte am Dienstagmorgen auch in Britz, im Süden Berlins, zehn Kilometer von Waßmannsdorf entfernt. Mehr als 20 Hakenkreuze und Runen zählte die Polizei hier zudem an Fassaden, auf Schildern, Gehwegen – wie am Flüchtlingsheim in silberner und schwarzer Farbe.

Betroffen war auch das Anton-Schmaus-Haus der Falken, einer SPD-nahen Jugendorganisation: Hier prangten Hakenkreuze am Holzzaun, das NW-Label und der Spruch „Ihr interessiert uns brennend“. Der Jugendtreff war in den letzten anderthalb Jahren zweimal Ziel von Brandanschlägen. „Wir sind immer aufs Neue geschockt“, sagt Gruppenleiter Andrew Walde am Dienstag. Man habe nun Innensenator Frank Henkel (CDU) angeschrieben, sagt Walde. Der solle erklären, wie er dem Haus helfen könne. Henkel reagierte prompt: Er versprach dem Falken-Treff nachts ab sofort einen permanenten Objektschutz.

Bereits in den vergangenen Monaten hatten mutmaßlich Rechtsextreme Parteibüros und Wohnungen von Neonazi-Gegnern im Südosten Berlins attackiert. Gleiches zuletzt in Zossen, südlich von Berlin: Auch hier tauchten rechte Schmierereien auf. Das Haus eines Anti-Nazi-Aktiven wurde mit Steinen beworfen, sein Briefkasten gesprengt.

Der Berliner SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber fordert nun, den Verfolgungsdruck auf die Täter deutlich zu erhöhen. „Die Polizei sollte sehr zügig zu beweissicheren Festnahmen kommen.“ Die Anschläge trügen „die Handschrift des NW Berlin“. Die Grüne Clara Herrmann nannte die Angriffe in Britz und Waßmannsdorf „zutiefst rassistisch“. Auch sie kritisierte, dass es der Polizei nicht gelungen sei, zumindest die Betreiber der Internetseite des NW Berlin zu ermitteln. „Das muss sich endlich ändern.“

Auf der Webseite des Neonazi-Netzwerks steht auch eine Feindesliste mit Neonazi-Gegnern, teils mit Adressen. Auch das Schmaus-Haus ist dort aufgeführt. Auffällig ist, wie offensiv die Täter bei den jetzigen Angriffen mit ihren Sprühereien direkt auf diese Seite verwiesen. Als Betreiber steht auch der Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke unter Verdacht. Im März durchsuchte die Polizei deshalb seine Wohnung und die zweier weiterer Neonazis.

Im Internet ätzte Schmidtke auch gegen den jüngsten Flüchtlingsmarsch. Als die Asylbewerber von Potsdam nach Berlin einliefen, protestierte er mit sieben NPDlern gegen den Zug – und wurde ausgepfiffen.

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