Rechtsextreme Fußballfans: "Immerhin kann der Türke wat"

Das schwarz-rot-goldene Farbenmeer auf Deutschlands Straßen ist kein Paradies für Nationalisten. Die Cacaus, Boatengs und Özils stürzen sie in ernsthafte Identitätsprobleme.

Ausgelassene schwarz-rot-goldene Stimmung auf der Hamburger Fanmeile. Bild: dpa

BERLN taz | Der User "HamburgerJung" schaut sich das entscheidende Spiel gegen Ghana nur nebenbei an. Am Mittwochabend sitzt er stattdessen vor seinem Computer. Für das Nazi-Nachrichtenportal Altermedia schreibt er eine Abhandlung über die "Urdeutschen Farben und deren Missbrauch durch die BRD". Das 1:0 in der 60. Minute kriegt er dennoch mit: "Jetzt seh ich grade das Özil das 1. Tor geschossen hat? Armes Deutschland", kommentiert er im Forum den Treffer des türkischstämmigen Mesut Özil für die deutsche Nationalmannschaft.

Im selben Moment fallen sich Bernd* und Neptun* in einer Eckkneipe im Berliner Osten johlend in die Arme. Sie springen von ihren Barhockern auf, verteilen Bussis an die anderen jubelnden Stammgäste. Es wird so ausgelassen geküsst und gedrückt, dass die schwarz-rot-gelbe Schminke auf den ärmellosen Tankshirts landet.

Die Raucherkneipe ist kein ausgewiesener Nazitreffpunkt, steht aber in dem Ruf, von überwiegend rechtem Publikum besucht zu werden. Die Fotos an den Wänden zeigen glatzköpfige Männer. Unter den zehn Gästen an diesem Fußballabend ist außer Michaela*, der Bardame aus Marzahn, nur noch eine andere Frau. Sie grölt allerdings am lautesten: "Keine Angst vorm schwarzen Mann" ist ihr geflügeltes Wort für das deutsch-ghanaische Vorrundenspiel.

Es ist klar: Hier will man Deutschland siegen sehen. Und wenn es wirklich darauf ankommt, freut man sich auch, wenn ein Özil das entscheidende Tor schießt. "Immerhin kann der Türke wat", sagt Bernd anerkennend, "aber deutsch ist er für mich deshalb noch lange nicht." Sein Kumpel Neptun witzelt, dass man die ghanaische kaum noch von der deutschen Mannschaft unterscheiden könne, so viele Schwarze stünden auf dem Platz. Eine richtige Nationalmannschaft sei das also eigentlich nicht mehr, deutet der 44-Jährige an.

Deutlicher werden rechtsextreme Fußballfans im anonymen Internet. Der Nutzer des Forums thiazi.net mit dem Pseudonym "Ewig-gestriger" gibt unter politische Gesinnung "Nationalsozialist" an. Er rechnet vor: "Mathematisch gesehen: 15 echte Deutsche, 4 Streitfälle und 8 gänzlich Undeutsche - wer bei einem Spiel für sein Land nicht einmal die Hymne mitsingt, hat in einer Nationalmannschaft nichts verloren." Der User "Gemeinsam_stark", Hannoveraner mit Hitler-Porträt als Profilbild, stimmt zu: "Ich hoffe, dass diese Mannschaft möglichst früh scheitert - jedenfalls bitte nicht mit 50 % Ausländern Weltmeister wird!"

"Paul" hat sogar den schwarzen Ghanaern die Daumen gedrückt, in der Hoffnung, dass die deutsche "Gurkentruppe" ausscheidet.

Nazis sind jetzt gegen Deutschland? "Nein, nein", wehrt Klaus Beier ab. Als Pressesprecher der NPD halte er selbstverständlich zur deutschen Nationalmannschaft. Aber das Nationale würde durch die Durchmischung mit Spielern nicht deutscher Herkunft natürlich konterkariert.

"Uns stößt übel auf, dass genau damit der Ursprungsgedanke des Wettstreits zwischen Völkern vernichtet wird", betont Beier die Position der NPD. Das sei aber kein rein deutsches Problem, fügt er hinzu: "Frankreich hat dafür schon die sportliche Quittung bekommen." Welche Mannschaft er denn dann noch uneingeschränkt unterstützen könne? Der Pressesprecher zögert und muss erst mal seinen NPD-WM-Planer aufschlagen, wo die Mannschaften mit Foto abgebildet sind. Er murmelt: "Bei den europäischen Mannschaften wird es schon schwer … Slowenien und die Slowakei … und natürlich die afrikanischen Mannschaften. Die rekrutieren ihre Sportler aus dem eigenen Volk, haben ihre Wurzeln behalten. Das ist moralisch unterstützenswert!"

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