Rechtsextreme in Spanien: Vox macht Druck gegen LGBTQ

Geht es nach den Rechtsextremen, sollen Eltern ihre Kinder aus dem Unterricht nehmen können. Zumindest, wenn es um sexuelle Minderheiten geht.

LGTBI-Demonstranten in Spanien

Madrid, 23. Januar: Proteste gegen die „Eltern-PIN“ Foto: Susana Vera/reuters

MADRID taz | Seit Wochen kennen viele Eltern und Lehrer in Madrid nur noch ein Thema: die „Eltern-PIN“. So nennt die Partei Vox ihr Ansinnen, den Eltern das Recht einzuräumen, ihre Kinder aus dem Unterricht zu nehmen, wenn dort Themen wie Gleichstellung oder Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten behandelt werden.

PIN – ein Code also, durch den Eltern ihre Kinder abziehen können. „Wenn ich so was schon höre. Es sind doch diese Leute, die versuchen, die Kinder zu beeinflussen“, beschwert sich Yolanda Sáez, Mutter eines 13-Jährigen am ältesten Gymnasium der spanischen Hauptstadt, der San-Isidro-Schule.

Das San Isidro steht auf ­einer Liste, mit der ultra­katholische Verbände im Internet auf Schulen aufmerksam machen, die sich ganz besonders um Themen wie Gleichstellung und LGBTQ kümmern. Vox und ultrakatholische ­Organisationen propagieren die Eltern-PIN seit Jahren. Doch jetzt ist die Partei damit in der Politik angekommen. In den Regionen Murcia, Andalusien und ­Madrid regieren der konservative ­Partido ­Popular und die rechtsliberalen ­Ciudadanos dank der Unterstützung von Vox.

Die Rechtsextremen nutzen dies. Die Formel ist einfach: Ohne Eltern-PIN kein öffentlicher Haushalt und ohne Haushalt keine Regierung. In Murcia hat die Regionalregierung die PIN zum Gesetz gemacht. In Andalusien und Madrid drängt Vox mit aller Kraft.

Statt von der Eltern-PIN redet der Mathelehrer Javier ­Arróspide lieber von „elterlicher Zensur“. „Sollte die Landesregierung das in das Bildungsgesetz aufnehmen, wird dies zweifelsohne die Durchführung von Gesprächen oder Aktivitäten, die Gegenstand eines Vetos sein könnten, erschweren“, sagt Arróspide. Er gehört zu der erst kürzlich entstandenen Gruppe namens Lehrer für emotionale, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (@Dlgtbi).

Dani vom LGBTQ-Verband Cogam gehört zu denen, die Schulen besuchen, um in der Mittel- und Oberstufe über LGBTQ-Themen zu referieren. Seinen Nachnamen möchte er nicht nennen – er sei Lehrer mit Zeitvertrag. „Die sogenannte Eltern-PIN wird vor allem den Schülern schaden“, ist er sich sicher. „Es gibt Schüler, die sind auf solche Workshops angewiesen, um zu sehen, dass sie keine Sonderlinge sind, und um zu erreichen, dass sie von ihre Mitschülern akzeptiert werden“, erklärt Dani.

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„Was soll das mit der Eltern-PIN? An den Schulen werden alle Aktivitäten vom Schulrat, in dem Lehrer, Eltern und Schüler sitzen, beschlossen“, sagt Marian González, Direktorin der Juan-de-Mairena-Schule, welche ebenfalls auf der Liste der Ultrakatholiken steht. „Der Verfassungsauftrag an die Bildung lautet, dass Werte wie Toleranz vermittelt werden sollen. Die Kinder haben ein Recht auf Wissen. Das Recht auf Unwissenheit gibt es nicht“, erklärt González. Vox und den Religiösen gehe es darum, „die öffentlichen Schulen in Misskredit zu bringen“ – an kirchlichen Schulen würden solche Aktivitäten natürlich nicht durchgeführt.

Inzwischen geht die spanische Zentralregierung richterlich gegen die Eltern-PIN in Murcia vor.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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