Rechtsextremer „Flügel“ und die AfD: Alles andere als gestutzt

Die Selbstauflösung des „Flügels“ ist unerheblich. Das rechtsextreme Gedankengut ist in der AfD längst verbreitet.

zwei Männer stehen nebeneinander

Die zwei rechtsextremen AfDler Kalbitz und Höcke geraten bei den Parteimitgliedern ins Abseits Foto: dpa

Die AfD hat in der vergangenen Woche ein ziemliches Theater veranstaltet. Der Bundesvorstand entschied, der „Flügel“, den der Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft hat, müsse sich auflösen. Björn Höcke lässt durchstechen, seine rechte Sammlungsbewegung habe genau das getan. Und er gibt ausgerechnet dem neurechten Publizisten Götz Kubitschek, seinem Einflüsterer, ein Interview mit viel Interpretationsspielraum. In dem er eben nicht klar sagt, dass der „Flügel“ aufgelöst sei.

Am Abend dementiert Andreas Kalbitz, der zweite „Flügel“-Chef, dass die Auflösung bereits vollzogen ist. Dabei ist letztlich unerheblich, ob der „Flügel“ sich nun formal aufgelöst hat. Das wird ohnehin nicht viel ändern. Das Denken und Wirken, das gegen Menschenwürde, Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip verstößt, ist in der AfD längst auch unter Parteimitgliedern verbreitet, die nicht klar zum „Flügel“ zählen – auch wenn das Gegenteil durch die parteiinternen Kämpfe suggeriert werden soll.

Und: Personelle Konsequenzen für Höcke, Kalbitz und andere Flügel-Spitzen hat der Bundesvorstand nicht gezogen. Sie bleiben also in der Partei und ihren Ämtern, einflussreich und mächtig, Netzwerke und Abhängigkeiten werden weiter wirken. Die Fähigkeit, Mehrheiten zu organisieren, von denen manches Bundesvorstandsmitglied abhängig ist, verliert man eben nicht mit einem „Flügel“-Logo – und die rechtsextreme Ideologie auch nicht.

Dass sich inhaltlich nichts ändern soll und Höcke, Kalbitz und Co. einen Führungsanspruch in der Partei für sich reklamieren, das zumindest hat Höcke in dem Interview ganz klargemacht. Die AfD aber wird ganz im Sinne ihrer Strategie der Selbstverharmlosung – die übrigens auch von Kubitschek stammt – versuchen, den Prozess als Mäßigung darzustellen. Vielleicht glauben das sogar einige in der Partei, die sich für gemäßigt halten, denn hier ist mitunter ein gehöriges Maß an Selbstbetrug zu beobachten.

Das Gegenteil aber dürfte richtig sein: Wenn der „Flügel“ noch mehr im Verborgenen wirkt, wird er noch gefährlicher. Am Ende aber könnte das Kalkül der AfD nach hinten losgehen. Denn wenn der „Flügel“ nicht mehr eigenständig ist, aber weiter einflussreich in der Partei, dann wird daraus auch der Verfassungsschutz Konsequenzen ziehen. Und möglicherweise zu dem Ergebnis kommen, dass eben die AfD mehrheitlich rechtsextrem ist und als ganze beobachtet werden muss. Was die Partei unbedingt verhindern will.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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