Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt: Land der Rechtsaufsteher

In Sachsen-Anhalt schwächelt zwar die NPD, nicht aber deren extremistisches Gedankengut. Die Partei erodiert im Schatten der AfD vor sich hin.

Der vom Feuer stark beschädigte Dachstuhl der geplanten Asylunterkunft in Tröglitz.

Tröglitz ist zum Inbegriff für Hass und Gewalt gegenüber Flüchtlingen geworden Foto: dpa

MAGDEBURG taz | Sachsen oder das nach Einwohnerzahl halb so große Sachsen-Anhalt? Schwer zu sagen, wer die gefährlichere rechte Szene vorweisen kann. Wie Sachsens Freital oder Heidenau wurden auch Ortsnamen im Nachbarland durch fremdenfeindliche Übergriffe bekannt. Tröglitz im Burgenlandkreis ist seit dem Ostersamstag 2015 zum Inbegriff für Hass und Gewalt gegenüber Flüchtlingen geworden, als dort die geplante Asylunterkunft brannte. Nach einer vorläufigen Statistik registrierte die Mobile Opferberatung Sachsen-Anhalt in den ersten drei Quartalen 2015 122 gewalttätige Übergriffe.

Markante Einzeltaten wie der Überfall auf Schauspieler in Halberstadt 2007, die Attacke auf einen jungen Israeli in Laucha 2010, die Angriffsserie auf Afrikaner in Merseburg oder der türkische Imbissbetreiber in Bernburg 2013, der nur knapp überlebte, stehen nicht isoliert. Gerade Tröglitz zeigt, dass auch in der Bevölkerung ein erhebliches Potenzial rassistischer, nationalistischer oder einfach nur spießbürgerlicher Haltungen schlummert.

Monatelang hatten dort Einwohner demonstriert, Bürgermeister Markus Nierth mit dem Tod bedroht und schließlich in den Rückzug getrieben, weil lediglich 40 Asylbewerber in dem 2.700 Einwohner zählenden Ort untergebracht werden sollten. Länger als ein Jahr zogen sich vergleichbare Auseinandersetzungen im Dorf Insel hin, wo zwei ehemalige Sexualstraftäter nach langen Haftstrafen eine Wohnung finden sollten.

Eine Ahnung von diesem Potenzial vermittelte die Landtagswahl 1998, als völlig überraschend die DVU mit 12,9 Prozent in das Landesparlament einzog, dort aber völlig zerfiel. In diesem Jahr tritt die AfD voraussichtlich ihr Erbe an, die nach jüngsten Umfragen ein Rekordergebnis um 15 Prozent erwartet. Nicht unpopulär war beispielsweise der Bezirksschornsteinfeger und Hobby-Fußballtrainer Lutz Battke aus Laucha.

Zweieinhalb Jahre dauerte es, bis ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes Ende 2012 ihm wegen seines NPD-Engagements als Stadt- und Kreisrat seine Lizenz als Schornsteinfeger entzog und er schließlich gehen musste. Auch der ehemalige SPD-Bürgermeister Hans Püschel aus Krauschwitz wurde gestoppt. Nachdem er die NSU-Terrorzelle als „verfassungsmäßige Widerständler“ bezeichnet hatte, wurde er wegen Volksverhetzung zu 3.000 Euro Geldstrafe verurteilt und seines Amtes enthoben.

„Durchaus typisch für Sachsen-Anhalt“

Henriette Quade, in der Linksfraktion des Landtages mit Flüchtlingspolitik und Rechtsextremismus befasst, hält solche Personalien und die Ausschreitungen gegenüber Fremden für „durchaus typisch für Sachsen-Anhalt“. In Bitterfeld oder in ihrer Heimatstadt Halle beispielsweise gebe es mit den sogenannten Brigaden eine verfestigte rechte Kameradschaftsszene.

Die NPD hingegen erodiert im Schatten der AfD weiter. Schon bei den Kommunalwahlen 2015 konnte sie mit etwa 100 Kandidaten deutlich weniger Bewerber nominieren als 2008. Bei der jüngsten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen fällt sie nur noch unter sechs Prozent „Sonstige“ und wird nicht extra aufgeführt.

Gescheitert ist der Versuch des rechten Konzertveranstalters Oliver Malina, das Schloss Groß Germersleben zu erwerben und für Rechtsrockkonzerte auszubauen. Im nahen Nienhagen finden solche aber weiterhin statt. Das „Institut für Staatspolitik“, intellektuelles Sprachrohr der Neuen Rechten, hat ebenfalls seinen Sitz in Sachsen-Anhalt. Auf dem Rittergut Schnellroda in der Unstrut-Weingegend bietet es Schulungen und Seminare an.

Gegen rechte Umtriebe versucht das Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten sowie der „Miteinander“-Verein und sein Netzwerk.

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