Rechtsradikale greifen Staat an: Weniger Rassismus-Morde in Russland

Erstmals nach sechs Jahren ist die Zahl der Morde aus fremdenfeindlichen Motiven in Russland gesunken. Doch Neo-Nazi-Gruppen greifen jetzt auch Staatseinrichtungen an.

Ihr Ziel ist, das Land zu destabilisieren: Neonazis in Moskau. Bild: dpa

Erstmals in sechs Jahren ist die Zahl der fremdenfeindlich motivierten Morde in Russland zurückgegangen. Im Jahre 2009 sind laut einer Untersuchung des Analysezentrums "Sowa" (Die Eule) in Russland 70 Menschen von nationalistischen und rechtsradikalen Tätern ermordet worden. 2008 lag die Zahl bei 109 Ermordeten. Gleichzeitig werde auf staatlicher Ebene das Problem ernst genommen, so die Vizesirektorin von Sowa, Galina Koschewnikowa, in Radio Swoboda.

Neu sei jedoch, dass inzwischen auch weitere Bevölkerungsgruppen Opfer von rechtsradikaler Gewalt geworden seien. Dies zeigten die Morde an dem Rechtsanwalt Stanislaw Markelow und den Antifaschisten Iwan Chutorskoj und Ilja Dschaparidse. Andere Aktivisten seien regelmäßig Morddrohungen ausgesetzt.

Koschewnikowa weiß, wovon sie spricht. Nach mehreren Morddrohungen von Nationalisten hatte sie sich entschlossen, ihre Moskauer Pressekonferenz von der Miliz schützen zu lassen. Der Fokus verschiebe sich von Gewalttaten gegen Nichtslawen und Nichtchristen auf Terror gegen Einrichtungen des Staats, so Galina Koschewnikowa. Mehr als 20 Brandanschläge auf Milizstationen, Wehrkreisämter und andere Einrichtungen gingen auf das Konto von Rechtsradikalen. Nun gehe es den Rechtsradikalen nicht mehr nur darum, Fremde aus Russland zu verjagen, sondern das Land zu destabilisieren und ein neonazistisches Regime zu errichten. Ungeachtet der sinkenden Gewaltstatistik, so Sowa, sei das Bild insgesamt sehr bedrückend.

Vielerorts stießen Gruppen wie die "Bewegung gegen illegale Immigration" auf Sympathie. Dem Kreml nahestehende Jugendorganisationen, wie "Die Unseren" oder die "Junge Garde", nähmen deren Parolen auf und versuchten sich als gemäßigte Nationalisten zu profilieren. Ein bekannter Rechtsradikaler habe gar auf der Website der "Jungen Garde" den Holocaust geleugnet, berichtet Alexander Werchowskij von "Sowa".

Für Juri Dschibladse vom "Zentrum für Demokratie und Menschenrechte" muss sich im russischen Rechtssystem vieles ändern. Im russischen Strafgesetz gebe es keine Strafen für rassistische Diskriminierung. Es gelte, eine Antidiskriminierungsgesetzgebung zu erarbeiten, die Miliz müsse ihre Praxis einstellen, bevorzugt Personen nichtslawischen Aussehens Passkontrollen zu unterziehen. Das russische Anti-Extremismus-Gesetz, so Dschibladse, müsse konsequent gegen rassistisch motivierte Täter angewendet werden. Besonderes Aufsehen hatte ein Mord an einem Afrikaner aus Ghana in St. Petersburg Ende vergangenen Jahres erregt. Nach der Tat hatte die Neonazigruppe "Nationalsozialismus - White Power" als "Neujahrsgruß" einen Videoclip der Tat im Internet veröffentlicht.

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