Wasserverbrauch in Brandenburg: Red Bull beflügelt Protest
Ausgerechnet im trockenen Brandenburg zapft Red Bull das Grundwasser an. Nun formiert sich Widerstand – inspiriert von Protesten in ganz Deutschland.

Bis vor Kurzem hatte Maik Mugler noch das Gefühl, er sei mit seinem Ärger über die Red-Bull-Fabrik vor seiner Haustür allein. Im Internet verfolgte der 42-Jährige Stadtverordnetensitzungen der Gemeinde Baruth in Brandenburg, um mehr über die Verträge seiner Stadt mit dem Konzern zu erfahren. Er stellte Fragen, hatte aber den Eindruck, die Antworten würden verschleppt.
Mittlerweile ist der kaufmännische Angestellte kein Einzelkämpfer mehr. Er hat gemeinsam mit rund 20 Personen aus der Gegend eine Bürgerinitiative gegründet, das „Ressourcenbündnis Baruth“. Sie wollen Aufmerksamkeit schaffen für ein Thema, das sie alle bewegt: den aus ihrer Sicht verschwenderischen Umgang mit dem Grundwasser in der Region.
Ihr Hauptgegner: Großkonzern Red Bull, der seit 2023 seinen Energy-Drink in Baruth produziert. Partnerfirma Rauch füllt ihn in bunte Alu-Dosen ab. Die Firmen haben eine Genehmigung, über 2 Millionen Kubikmeter Grundwasser im Jahr zu nutzen – mehr als die Tesla-Fabrik in Grünheide.
Im März hatte die taz ausführlich über den intransparenten Umgang der Stadt mit dem Wasserverbrauch der Großkonzerne berichtet. Die Verträge zwischen der Stadt und Red Bull haben eine Laufzeit von 25 Jahren. Für Red Bull bedeuten sie langfristigen Zugriff auf Baruths Grundwasser. Beim Ressourcenbündnis wächst das Misstrauen. Was, wenn das Wasser knapper wird? Und: Wie können sie ihren Sorgen Gehör verschaffen?
Klimakrise verstärkt Konflikte ums Wasser
Diese Fragen stellt man sich nicht nur in Baruth, sondern bundesweit. Großunternehmen verbrauchen viel mehr Wasser als Privathaushalte, gleichzeitig zahlen sie deutlich weniger. Schon heute gibt es deswegen vielerorts Nutzungskonflikte, die Klimakrise verschlimmert die Situation noch.
In Baruth kritisieren Umweltverbände und einzelne Engagierte aus der Stadt den Verkauf des Baruther Wassers an die Megakonzerne schon seit der Übernahme der Fabrik durch Red Bull und Rauch 2023. Jetzt planen die Eigentümer, den Standort zu erweitern: Neue Abfülllinien, ein Logistikzentrum, eine Dosenfabrik und eine Kläranlage sind geplant, mit dem Ziel, die Produktion zu verdoppeln.
Stehen sollen die neuen Anlagen teils im Wasserschutzgebiet. Dafür müssen etwa 17 Hektar Wald gerodet werden, der Bebauungsplan ist Anfang des Jahres von der Stadtverordnetenversammlung abgesegnet worden.
Der Bau wäre nur noch durch eine Klage abzuwenden. Klar ist: Der Wasserverbrauch wird steigen, das Abwasser auch. Gerät damit das hochwertige Baruther Wasser aus dem Urstromtal in Gefahr?
Die Mitbürger*innen zur Diskussion einladen
Das „Ressourcenbündnis Baruth“ will darüber aufklären. Maik Mugler und seine Mitstreiter*innen wollen Informationen zusammentragen, die Bevölkerung zu Diskussion und Mitbestimmung animieren. In einer Kleinstadt sei man so am wirksamsten. „Man kann die Bürgerschaft nur mitnehmen, wenn man die Kräfte bündelt“, sagt Mugler. „Ich glaube, viele werden sich anschließen, wenn sie sehen: Es geht hier nicht um Ideologie, sondern ums Wasser.“
Mitte Juli hat die Initiative bereits ein Gespräch mit einer Hydrogeologin organisiert. Und am 15. September soll die Europaabgeordnete Jutta Paulus (Grüne) Baruth besuchen. Geplant sind weitere Vernetzungstreffen, eine Social-Media-Präsenz. Man will wachsen, gemeinsam die Pläne der Stadt hinterfragen. Gar nicht so widerständig, könnte man meinen. Doch in Baruth ein wichtiger Schritt. Denn die Stadt hält die Verträge, mit denen sie Red Bull und Rauch Zugang zum Wasser der Baruther garantiert, bis heute geheim.
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So bleibt unklar, wie viel die Unternehmen für das Wasser zahlen und wie hoch der künftige Verbrauch ausfallen soll. In einem Gespräch mit der taz im Januar erwähnten Vertreter der Stadt, dass außerdem weitere Firmen Interesse an einer Ansiedlung im Industriegebiet hätten, etwa ein Rechenzentrum. In einem Protokoll einer Stadtverordnetensitzung von April ist von einem erhöhten Wasserbedarf durch jenes Rechenzentrum die Rede. Im selben Protokoll ist von einem internen Beschluss die Rede, der Presse „keine Auskunft“ mehr über „die Wasserversorgung für das Industriegebiet“ zu geben.
Ein altes Gutachten bescheinigt genug Wasser
Auf eine Anfrage der taz im Juli antwortet Frank Zierath, Leiter des städtischen Wasserversorgers Wabau, trotzdem. Er schreibt: „Es gibt keine weiteren Unternehmen, mit denen wir Verträge abgeschlossen haben.“
Dennoch ist die Bürgerinitiative besorgt, dass sich im Industriegebiet weitere Unternehmen ansiedeln könnten. Wirtschaftliche Interessen könnten Vorrang vor den Bedürfnissen der Bevölkerung erhalten, Nachhaltigkeit auf der Strecke bleiben.
Fest steht: Der Kampf ums Wasser in der Region fängt gerade erst an. Petra Liesenfeld, 69 Jahre alt, Sängerin, Mitglied bei den Grünen und Teil der neuen Bürgerinitiative, sagt: „Auf mich wirkt es, als ob die Stadt ohne Rücksicht auf die Umwelt oder die Anwohner*innen ihre Pläne einfach durchzieht.“
Die Stadt verweist auf die wirtschaftliche Bedeutung des Standorts: 120 neue Arbeitsplätze sollen entstehen, knapp 400 Menschen seien aktuell bei Red Bull und Rauch beschäftigt. Beim Verkauf des Wassers zeigt die Stadt keine Bedenken vor möglicher Wasserknappheit oder Übernutzung.
Grundlage der Wassernutzungsverträge ist ein 20 Jahre altes Gutachten, das dem Urstromtal ausreichend Grundwasser bescheinigt. Seitdem ist aber die Zahl der Dürrejahre gestiegen, die Grundwasserneubildung nimmt ab, es werden immer neue Temperaturrekorde gemessen. Ein neues Gutachten ist nicht geplant. Auf Anfrage der taz teilt der Chef des Wasserversorgers, Frank Zierath, mit: Das bestehende Gutachten werde „entsprechend den Auflagen in der wasserrechtlichen Genehmigung ständig durch entsprechende Monitoring-Untersuchungen fortgeschrieben.“
Gegen Wassernutzungsverträge großer Konzerne kommt man nur schwer an. Dennoch wächst bundesweit der Widerstand, in Form von Initiativen, die Wasser als Gemeingut verteidigen und Transparenz fordern.
Widerstand gegen Coca-Cola als Vorbild
Das bekannteste Beispiel, gewissermaßen die große Schwester des Ressourcenbündnisses Baruth, ist die Bürgerinitiative Grünheide. Sie stellt sich gegen den Ausbau des dort angesiedelten Tesla-Werks und will das Wasser in der Region besser schützen. 2024 besetzen Aktivist*innen ein Waldstück nahe dem Gelände. Mit Protestaktionen machten sie bundesweit auf sich aufmerksam.
Mit ersten Erfolgen: Tesla hat seinen Wasserverbrauch gesenkt und sich zu Abwasserrecycling verpflichtet. Im Juli 2025 legte die Initiative Widerspruch gegen den Bebauungsplan für die Tesla-Erweiterung ein und beruft sich dabei auf das Bürgervotum von Februar 2024, bei dem sich eine Mehrheit gegen das Projekt ausgesprochen hat.
Auch andernorts zeigten Proteste Wirkung: Etwa in Lüneburg, wo Coca-Cola 2018 einen Tiefbrunnen bohren wollte. Die Bürgerinitiative „Unser Wasser“ mobilisierte dagegen, sammelte über 145.000 Unterschriften und organisierte Demos. Unter dem öffentlichen Druck legte der Konzern das Projekt auf Eis und die Wasserbehörde ordnete den Rückbau des bereits gebohrten Brunnens an.
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Das Ressourcenbündnis Baruth hat sich inzwischen mit einigen dieser Gruppen vernetzt. Ein gutes Beispiel sei auch die Wasserinitiative in Treuchtlingen: Die Gruppe kritisiert, dass das Unternehmen Altmühltaler – eine Tochterfirma von Aldi Nord – kostenlos Tiefengrundwasser abfüllen darf, während die Bevölkerung Trinkwasser aus Fernleitungen bezieht und dafür Gebühren zahlen muss. „Die haben Haustürgespräche gemacht, Forderungen gesammelt, da wollen wir lernen“, sagt Petra Liesenfeld.
Und auch in Baruth bewegt sich bereits etwas: Im Juli 2023 stellte ein*e Bürger*in über die Transparenzplattform „FragDenStaat“ eine Anfrage zur Grundwasserentnahme und den Vertragsbedingungen mit Red Bull. Die Stadt verweigerte die Auskunft unter Verweis auf Geschäftsgeheimnisse. Im Juli 2025 wurde nun Klage eingereicht, die Anklageschrift liegt der taz vor.
Trotz aller Kritik will die Initiative in Baruth auch das Gespräch mit der Stadt suchen. „Wir wollen nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander“, sagt Liesenfeld. Doch bisher, so sehen es viele im Ressourcenbündnis, stelle sich die Stadt quer. Informationen würden zurückgehalten, Nachfragen abgeblockt, Beteiligung verhindert. „Einen Kompromiss zu finden, wird eine große Anstrengung sein“, sagt Maik Mugler. Aber die Gruppe sei bereit, es zu versuchen.
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