Rede in Hannover: Obama beschwört das vereinte Europa

Der US-Präsident lobt die europäische Einheit als „einen der größten politischen Erfolge der Moderne“. Aber er hat auch Forderungen im Gepäck.

Ein Mann mit grauem Haar steht an einem Rednerpult. Es ist Barack Obama

„Vielleicht brauchen Sie einen Außenstehenden, einen Nichteuropäer, der Ihnen sagt, was Sie in den vergangenen Jahren alles erreicht haben“, sagt Barack Obama Foto: ap

In einer Grundsatzrede hat US-Präsident Barack Obama die Europäer zur Einigkeit aufgerufen. „Die Vereinigten Staaten und die ganze Welt brauchen ein starkes und wohlhabendes und demokratisches und vereintes Europa“, sagte Obama am Montag bei seinem Besuch der Hannover Messe.

Ausdrücklich lobte Obama die Flüchtlingspolitik Angela Merkels: Die Kanzlerin habe daran erinnert, dass die Menschen „jetzt hier sind und jetzt unsere Hilfe brauchen“. Die Aufnahme der Flüchtlinge etwa aus Syrien sei nicht nur eine Aufgabe der Nachbarländer oder einer Nation, sagte der Demokrat mit Blick auf die Türkei und die Bundesrepublik durchaus selbstkritisch – in diesem Jahr wollen die USA lediglich 85.000 Flüchtlinge aufnehmen, darunter nur 10.000 Syrer.

Zur Bekämpfung der Fluchtursachen sei aber auch ein verstärktes Vorgehen gegen den sogenannten Islamischen Staat nötig: Der IS sei derzeit „die größte Herausforderung für unsere Nationen“, so das Staatsoberhaupt. In Hannover kündigte der Präsident dazu die Entsendung 250 weiterer US-Soldaten nach Syrien an. Diese sollen gegen den IS kämpfende Rebellen beraten und unterstützen.

Mit Blick auf die Ukraine-Krise verlangte Obama höhere Rüstungsausgaben: „Europa war manchmal etwas zu selbstgefällig hinsichtlich der eigenen Verteidigung.“ Zur Abschreckung Russlands drängen die Amerikaner hinter den Kulissen offenbar auch auf eine stärkere Präsenz der Bundeswehr in Osteuropa. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Sonntag eine Erhöhung des deutschen Verteidigungsetats angekündigt: Die Nato verlangt einen Beitrag von 2 Prozent des Bruttosozialprodukts; Deutschland kommt aktuell auf 1,2 Prozent.

Flammender Appell

„Vielleicht brauchen Sie einen Außenstehenden, einen Nichteuropäer, der Ihnen sagt, was Sie in den vergangenen Jahren alles erreicht haben“, so leitete Obama seinen flammenden Appell für die Einheit Europas ein. Zwar sorge die Globalisierung durch Arbeitsplatzverluste, stagnierende Löhne und steigende Ungleichheit auch in den Industriestaaten für Verunsicherung, sagte der Präsident vor Studenten. Vielleicht liege es sogar in der menschlichen Natur, sich in schwieriger Zeit „auf seinen eigenen Stamm, seine eigene Nation“ zurückziehen zu wollen.

Lösungen für das 21. Jahrhundert biete dieser Weg jedoch nicht, warnte Obama in seiner von amerikanischem Pathos getragenen, aber dennoch ergreifenden Ansprache – und erinnerte an den mörderischen Nationalismus des 20. Jahrhunderts, der auch Hannover in Asche gelegt und allein hier Zehntausende das Leben gekostet habe. Die Einheit von 500 Millionen Europäern mit 24 Sprachen sei einer der „größten politischen Erfolge der Moderne“, mahnte das US-Staatsoberhaupt.

Barack Obama

Der IS ist die größte Herausforderung für unsere Nationen

Zuvor hatte der Präsident bereits in London die Briten vor dem „Brexit“ genannten Austritt aus der Europäischen Union gewarnt. Auf einen eigenen Handelsvertrag mit den USA könne Großbritannien bis zu zehn Jahre warten müssen: Das Land werde sich am „Ende der Warteschlange“ wiederfinden, warnte Obama in einem BBC-Interview.

Obamas Stippvisite in der niedersächsischen Landeshauptstadt machte deutlich, wie sehr ihm an einer Stärkung Merkels gelegen ist. Die Kanzlerin sei „Freundin und Partnerin“, warb der Präsident, der bei seiner Amtsübernahme eher den pazifischen Raum im Blick hatte.

Zur Aufwertung der Christdemokratin diente auch ein Fünfer-Gipfel, der den Abschluss von Obamas Hannover-Besuch bildete: Am Nachmittag trafen Präsident und Kanzlerin im Schloss Herrenhausen auf Frankreichs Staatspräsidenten François Hollande, den britischen Premierminister David Cameron und Italiens Regierungschef Mateo Renzi. Themen auch hier: die Flüchtlingspolitik, die Ukraine-Krise, die Lage in Syrien und Libyen.

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