Referendum in der Republika Srpska: „Wir sind gegen Bosnien“

Die Mehrheit in der serbischen Teilrepublik dürfte heute dafür stimmen, den Unabhängigkeitstag 9. Januar künftig wieder als nationalen Feiertag zu begehen.

Stimmabgabe in Pale.

Stimmabgabe in Pale Foto: dpa

PALE taz | Der Luftkurort Pale liegt nicht einmal 20 Kilomter von der bosnischen Hauptstadt Sarajevo entfernt. Und doch befindet man sich hier hoch oben in den Bergen in einer anderen Welt. Auf den Wahlplakaten für die Kommunalwahl am 3. Oktober präsentieren sich die Kandidaten der serbischen Parteien in kyrillischer und nicht wie anderorts in Bosnien üblich in lateinischer Schrift. Überall wehen serbische Flaggen, auf der Straße defilieren hupende Autos mit überdimensional großen Fahnen geschmückt.

Eine Woche vor den Kommunalwahlen wird an diesem Sonntag erst eine andere Abstimmung durchgezogen, die die Gemüter in Bosnien und Herzegowina bewegt. Im Zentrum neben der alten orthodoxen Kirche befindet sich das Wahlokal. Hier soll die Bevölkerung darüber abstimmen, ob sie den Feiertag zur Gründung der „Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina“ künftig wieder am 9. Januar begehen will oder nicht.

Das Verfassungsgericht für den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina hatte einer Klage des bosniakischen (muslimischen) Mitglieds im Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic, angenommen. Am 17. September hatte es in zweiter Instanz entschieden, der Feiertag dürfe nicht begangen werden, weil er die Minderheitenrechte der nichtserbischen Bevölkerung in der Repblika Srspka verletze.

„So ein Quatsch“, sagt der 19 jährige Igor, „wir feiern doch diesen Tag schon seit 20 Jahren. Wir alle werden bei dem Referendum mit Ja stimmen, wir wollen unseren Feiertag haben und lassen uns von keinem Gericht vorschreiben, ob wir das tun können oder nicht.“

Gegen ein Zusammenleben mit Bosniaken und Kroaten

Eine Gruppe Gleichaltriger stimmt zu. „Wir sind die Republika Srpska und lehnen den Staat Bosnien und Herzegowina ab,“ sagt ein anderer. Auf die Frage, ob das dann doch ein Testlauf für eine Volksabstimmung über die Loslösung der serbischen Teilrepublik vom Gesamtstaat sei, sind sie sich einig. „Natürlich, wir wohnen hier, das ist unser Land, wir wollen nicht mit den Bosniaken und Kroaten zusammenleben.“

Die Stimmung wird aggressiv. Der Ort Pale, von dem einstmals der Serbenführer und verurteilte Kriegsverbrecher Radovan Karadzic und sein General Ratko Mladic den Krieg in Bosnien und Herzegowina 1992-95 dirigierten, ist nach wie vor ein Zentrum des serbischen Nationalismus und ein Symbol.

Noch am Sonntagabend will deshalb der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodic, hier eine Rede halten. Er will vor den Gemeindewahlen für seine Partei, die „Unabhänigigen Serbischen Sozialdemokraten“ (SNSD), die mit der europäischen Sozialdemokratie allerdings wenig zu tun haben, punkten.

Denn die wirtschaftliche Lage ist katastrophal. Tausende Arbeitsplätze gingen in den letzten Monaten verloren, der Teilstaat seht vor der finanziellen Pleite, der Lebensstandard ist noch um ein Drittel niedriger als in der bosniakisch-kroatischen Föderation.

Gute Chancen für die Opposition

Seine Position wackelt, er sieht sich zunehmend einer stärker werdenden serbischen Oppositionsbewegung gegenüber. Diese Opposition verfügt über ein breites Spektrum. In ihr sind liberale und demokratische Kräfte zu finden, aber auch die einstmals führende Serbisch Demokratische Partei (SDS), der Radovan Karadzic selbst vorstand. Aber die vereinte Opposition hat Chancen, Dodik empfindlich zu schwächen und selbst in der Hauptstadt Banja Luka die Mehrheit zu erreichen.

Vor dem SDS-Büro in Pale stehen einige ihrer Repräsentanten. Sie alle unterstützen trotz der Differenzen mit Dodik das Referendum. Auf die Frage, ob das Referendum nicht eine Wahlhilfe für Dodik sei, sind sie sich unschlüssig. „Sicher ist das ein Wahlmanöver von Dodik, aber alle Serben stehen hinter dem Referendum,“ sagt auch Sasa Savic, ein Mitarbeiter des lokalen Fernsehsenders. Aber er gibt auch zu bedenken, dass mit dem Konflikt um den Feiertag die nationalistischen Gefühle auf beiden Seiten angefacht werden.

„Dodik war in Rußland. Die USA und Europa stehen hinter Sarajevo, da kann sich etwas zusammenbrauen,“ warnt er und geht mit den anderen zum Wahllokal. Dort warten schon einige Frauen, ihre Kennkarten werden überprüft und mit den Wählerlisten verglichen.

Es scheint regulär zuzugehen. Bei diesem Referendum sind Manipulationen ohnehin nicht nötig. Am Sonntag um 14 Uhr hatten schon 45 Prozent der Stimmberechtigten ihre Stimmen abgegeben. In Pale wird es wohl ein „sozialistisches“ Ergebnis von 99 Prozent für die Beibehaltung des Feiertages der Republika Srpska am 9. Januar geben.

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