Reform des Abstammungsrechts: Lebensrealitäten sind schon weiter

Die Justizministerin will Regenbogeneltern gleichstellen. Kritik kommt von Betroffenen, die Opposition sieht den Vorstoß als Zwischenschritt.

Eine Familie wirft lange Schatten auf Kopfsteinpflaster

Ob zwei Väter, Mütter oder sogar drei Elternteile: Familie kann vielfältig sein Foto: dpa

BERLIN taz | Im Konfettiregen feierte Ulle Schauws (Grüne) den Beschluss der Ehe für alle im Bundestagsplenum. Die Freude über diesen historischen Schritt für die Gleichstellung homosexueller Paare war riesig. Knapp zwei Jahre später allerdings überwiege unter vielen lesbischen Paaren insbesondere mit Kindern die Ernüchterung, sagte Schauws der taz. Eigentlich hätte die Ehe für alle auch die Grundlage für eine Gleichstellung der Elternschaft sein sollen. „Die Ehe für alle ist eben immer noch nicht die Ehe für alle“, kritisiert die frauen- und queerpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion heute.

Nun legte Bundesjustizministerin Katarina Barley vergangenen Mittwoch einen Entwurf zur Überarbeitung des Abstammungsrechts vor. Ziel sei die Anpassung des Rechts an „heutzutage gelebte Familienkonstellationen“ und neue Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin. Eine Arbeitsgruppe hatte rund zwei Jahre an dem Entwurf gefeilt. Mit der Union ist er noch nicht abgestimmt.

Grundlegend für Barleys Vorhaben ist weiterhin die „genetisch-biologische Verwandtschaft“. Dennoch soll es beispielsweise lesbischen Paaren möglich sein, von Geburt an als rechtliche Eltern eines Kindes zu gelten. Notwendig sei eine „Dreier-Erklärung“, in der auch der betreffende Samenspender zustimmt. Mit dem „Zwei-Eltern-Prinzip“ wird Elternschaft auch weiterhin beschränkt. Somit müsse eine Entscheidung zwischen Samenspender und sogenannter „Mit-Mutter“ getroffen werden, beide können nicht die Elternschaft anerkennen. Als Mutter gilt uneingeschränkt diejenige Frau, die ein Kind gebärt. Schwule Eltern könnten weiterhin erst durch Adoption vollständig rechtlich Eltern werden.

Auch Patchworkfamilien, in denen durch neue Partnerschaften oder Freund*innen mehr als nur zwei Personen Erziehungsarbeit übernehmen, bleibt die Möglichkeit rechtlich gebundener Verantwortung für das Kind verwehrt. Zwar räumt Barleys Entwurf ein, wie wichtig die „sozio-familiäre Beziehung“ sei, behält jedoch starre Grenzen bei.

Der Entwurf bilde nicht alle Lebensrealitäten ab

„Längst überfällig und zu begrüßen“, findet Schauws den Entwurf. Dennoch müsse diesem Zwischenschritt noch sehr viel mehr folgen. Nicht alle Lebensrealitäten von Menschen in Regenbogen- und Patchworkfamilien würden abgebildet. Die Grünen-Fraktion hatte das Thema durch einen eigenen Entwurf schon 2018 auf die Tagesordnung gesetzt, der unter anderem die Gleichstellung lesbischer Eltern ermöglichen will.

Auch die Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr (FDP) vermisst grundlegende Reformen und betitelt den Entwurf als „öffentlichkeitswirksamen Testballon“. Doris Achelwilm, Bundestagsabgeordnete für Die Linke, bemängelt eine zu kurz gegriffene Reform, begrüßt gegenüber der taz jedoch, „dass Familienmodelle im Gesetz vielschichtiger und realitätsgetreuer behandelt werden als bisher“.

Deutliche Widersprüche birgt der Entwurf gegenüber trans Personen. Zweigeschlechtlichkeit bleibt zentral, die Rolle der Mutter wird strikt biologisch festgeschrieben. Auch eine dritte Geschlechtsoption wird nicht berücksichtigt. Zwar wird angekündigt, dass inter- und transsexuelle Menschen jede Rolle in der Elternschaft einnehmen könnten. Dies steht jedoch im Widerspruch zum biologischen Mutterschaftsbegriff. So klagte ein Transmann 2017 gegen die Bezeichnung seiner Person als Mutter. Der Mann war rechtlich als eben dieser anerkannt, konnte jedoch aufgrund nicht vollzogener chirurgischer Angleichung ein Kind gebären. Auch mit der angedachten Gesetzesänderung bliebe ihm nur die Zuschreibung als Mutter.

Biologistische Definition von Mutterschaft

„Die gesellschaftliche aber auch rechtliche Realität ist schon weiter“, kommentiert Petra Weitzel den Entwurf im Gespräch mit der taz. Die Vorsitzende der „Deutschen Gesellschaft für Transidentiät und Intersexualität“ (dgti) sieht „die Situation von trans*- und inter*geschlechtlichen Menschen in diesem Gesetz nicht berücksichtigt“. So stelle die biologistische Definition von Mutterschaft ein Problem dar. Gebärende Männer oder zeugende Frauen ebenso wie diejenigen Personen, die sich nicht einem binären Geschlecht zuordnen wollen, würden in ihrer geschlechtlichen Selbstbestimmung eingeschränkt. Statt „Mutter“ könne es in Gesetzestexten „Elternteil“ heißen, in Geburtsurkunden könnte die Angabe Mutter oder Vater entfallen, um nichtbinäre Menschen zu berücksichtigen und vor Zwangsouting zu schützen. „Es muss das gleiche Recht für alle gelten“, so Weitzel.

Darüber hinaus plant Barleys Entwurf auch einen rechtlichen Anspruch von Kindern auf die Klärung, wer die eigenen biologischen Eltern sind. Zwar steht Menschen bisher eine Überprüfung der rechtlichen Eltern auf biologische Verwandtschaft zu, gegenüber Dritten gilt dies jedoch nicht. Das soll sich nun ändern. Vermutet ein Kind ab 16 Jahren also, dass eine dritte Person die biologische Mutter oder Vater ist, soll die Klärung möglich sein. Die soll auch Männern zustehen, wenn sie eine Vaterschaft vermuten.

Als „sehr elternzentrierten Entwurf“ kritisiert Anne Meier-Credner vom Verein Spenderkinder den Vorstoß. Zwar sei das Recht auf Klärung der biologischen Verwandtschaft Dritter zu begrüßen, dies müsse jedoch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens umgesetzt werden. „Spenderkinder haben ein Recht darauf, ihre Abstammung auch öffentlich feststellen zu lassen“, betont Meier-Credner.

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