Regierungsbildung im Bund: Berlins Grüne sehen schwarz

Die grün-schwarzen Sondierungsgespräche sind für die Berliner Grünen reine Formsache: Inhaltlich seien die beiden Parteien nicht kompatibel.

In einer Koalition mit der CDU würde das grüne Pflänzchen verdorren, fürchten Berlins Grüne. Bild: dpa

Für die Berliner Grünen ist das für Donnerstag anberaumte Sondierungsgespräch auf Bundesebene mit CDU und CSU reines Schaulaufen. „Es ist pro forma völlig richtig, nach der Wahl mit allen demokratischen Parteien zu sprechen – allerdings glaube ich nicht, dass sich allzu viele Gemeinsamkeiten mit Herrn Seehofer herausstellen werden“, sagte Parteichef Daniel Wesener der taz am Montag in Anspielung auf Grünen-kritische Äußerungen des CSU-Chefs. Wie „nahezu alle Berliner Grünen“ sei er sehr skeptisch, was das Treffen angehe. Die Messlatte für die Gespräche seien das eher linke grüne Wahlprogramm – und dass die Partei auch nach der Wahl „glaubwürdig bleibt“.

Der Partei-Linke Wesener ist damit nicht allein. Auch Realo Özcan Mutlu, für die Berliner Grünen gerade in den Bundestag eingezogen, erklärte, Schwarz-Grün seine Stimme zu verweigern. „Die CDU passt politisch nicht zu uns.“

Bei dem Sondierungsgespräch am Donnerstag in der Parlamentarischen Gesellschaft wollen CDU/CSU und Grüne ausloten, ob es zu einer vierjährigen Zusammenarbeit auf Bundesebene kommen könnte. Für die CDU verhandelt eine 14-köpfige Delegation, bei den Grünen ist es ein Siebener-Team, darunter die Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckhardt und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Nicht dabei sein wird die gerade abgetretene Fraktionschefin Renate Künast, im Wahlkampf Berliner Spitzenkandidatin. Auch sie äußerte sich skeptisch zu einer schwarz-grünen Koalition. Als Bedingungen nannte Künast „eine ernsthafte Umsetzung der Energiewende“ und die Wahrung der Bürger- und Menschenrechte, in punkto NSA wie für Flüchtlinge vor Lampedusa. Dies alles stehe aber im „Gegensatz zum bisherigen Merkel-Kurs“. „Ich wäre überrascht, wenn die CDU dazu hinreichende Vorschläge machen würde“, sagte Künast der taz.

Käme es zu einer Koalition, wären die Grünen ein Mini-Juniorpartner: Sie bekamen bei der Bundestagswahl am 22. September 8,4 Prozent der Stimmen, die Union 41,5 Prozent. Am vergangenen Freitag hatten bereits SPD und Union sondiert: mit vorsichtig optimistischem Ergebnis.

In Berlin hatte die CDU-Landesspitze um Frank Henkel zuletzt offen mit Schwarz-Grün geliebäugelt. Grünen-Landeschef Wesener bezeichnete das als „durchsichtige Taktik“, um den Preis für eine schwarz-rote Koalition für die Sozialdemokraten hochzutreiben. „Grüne und SPD sollten sich da nicht gegeneinander ausspielen lassen.“ Offenbar gehe es der Berliner CDU auch darum, nicht dauerhaft auf eine Regierungszusammenarbeit mit der SPD festgelegt sein.

Auch Özcan Mutlu betonte die Glaubwürdigkeit der Grünen. „Ich kann nicht im Wahlkampf für Rot-Grün werben und dann mit der CDU eine Koalition eingehen.“ Zur Union gebe es „massive politische Widersprüche“. Mutlu nannte etwa die Energiewende, eine Steuerreform oder das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. „Wer glaubt, dass sich da die CDU auf uns zubewegt, glaubt auch an den Weihnachtsmann.“ Im Hinblick auf den Bundesrat, wo Schwarz-Grün keine Stimme hätte, wäre das Bündnis ein „Höllenritt auf vier Jahre“, sagte Mutlu.

Auch Benedikt Lux, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Abgeordnetenhaus, hält die Sondierungsgespräche auf Bundesebene für überflüssig: „Ich glaube nach wie vor: Das wird nichts.“ Die Gemeinsamkeiten mit der CDU seien sehr gering. Die Grünen hätten vom Wähler auch keinen Regierungsauftrag bekommen – und sich vor der Wahl eindeutig auf Rot-Grün festgelegt. Für die Zukunft, so Lux, müsse sich die Partei allerdings öffnen für rot-rot-grüne wie schwarz-grüne Bündnisse – wobei Lux, wie er betont, die erstere Option deutlich näher liegt.

Der linke Bezirksverband Friedrichshain-Kreuzberg schließt Schwarz-Grün dagegen kategorisch aus. Inhaltlich sei dies „nicht einmal denkbar“, heißt es in einem jüngst gefassten Beschluss. Stattdessen müsse man ein rot-rot-grünes Bündnis „vorbereiten“. Nur: Das ist derzeit ähnlich utopisch wie ein Einverständnis der Berliner Grünen zu einem Bund mit der CDU.

Im Landesverband bereitet man sich deshalb bereits auf die Opposition im Bund vor. Eine Regierung aus Rot-Rot-Grün wäre eine „Koalition der Verlierer“, sagte Daniel Wesener, Opposition eine „sehr ehrenvolle Aufgabe“. Trotzdem sieht er eine Große Koalition kritisch: Sie berge die Gefahr, dass „nur noch nach Gutsherrenart Politik gemacht“ werde. Zumal die Opposition aus Grünen und Linkspartei zahlenmäßig sehr schwach wäre: Sie würde nur 127 der Abgeordneten stellen, Schwarz-Rot hingegen hätte 504. Wesener hofft deswegen auf breite und „kluge“ Bündnisse zwischen der Opposition im Bundestag und der Zivilgesellschaft.

Lux verlangte von einer Großen Koalition sogar verfassungsrechtliche Zugeständnisse: Da Schwarz-Rot mit seiner zahlenmäßigen Übermacht klassische Minderheitenrechte wie das Einsetzen von Untersuchungsausschüssen blockieren könnte, müsse das Quorum für die Einberufung von derzeit 25 Prozent heruntergesetzt werden auf eine Zahl, mit der dies auch Grünen und Linken möglich wäre, wenn sie sich denn einigten – also etwa 20 Prozent.

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