Regierungsbildung in Israel: Kommt die Last-Minute-GroKo?

Bis Mittwoch haben Netanjahu und Gantz noch Zeit, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Offenbar stehen sie kurz vor dem Durchbruch.

Benny Gantz und Benjamin Netanjahu, beide im Portrait

Verhandeln weiter: Benny Gantz (l.) und Benjamin Netanjahu Foto: Amir Cohenr/reuters

TEL AVIV taz | Seit mittlerweile einem Jahr ringt Israel um eine neue Regierung. Nun kommen sich Benny Gantz und Benjamin Netanjahu auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung offenbar näher. Wenige Minuten vor Ablauf einer Frist in der Nacht auf Dienstag, innerhalb derer Gantz eine Regierung bilden sollte, baten die einstigen Widersacher gemeinsam um Verlängerung. Die Begründung: Sie seien einer Einigung sehr nahe.

Staatspräsident Reuven Rivlin hat Gantz nun weitere 48 Stunden gegeben. Am Sonntag noch hatte er dessen alleiniges Ersuchen um Verlängerung abgelehnt. Eine Regierungsbildung, so Rivlin am Sonntag, sei nicht in Sicht.

Ob die zentralen Streitfragen zwischen Gantz und Netanjahu mittlerweile ausgeräumt sind, ist allerdings nicht bekannt. In den letzten Tagen stritten beide vor allem über den Wunsch von Netanjahus Likud-Partei, das Ernennungsverfahren von Richtern zu ändern.

Hinter dem Streit steht offenbar, dass der Likud die Ernennung des ehemaligen Staatsanwalts Shai Nitzan zum Richter am obersten Gericht in Jerusalem verhindern will. Dieser hatte mit seinen Voruntersuchungen in Netanjahus Korruptionsfällen mit dafür gesorgt, dass es zur Anklage gegen Netanjahu gekommen ist.

Netanjahu hat außerdem Sorge, dass das Gericht entscheiden könnte, dass er aufgrund der Anklage nicht Ministerpräsident werden darf. Ursprünglich hatte Gantz mit seinem Bündnis geplant, ein solches Gesetz durch die Knesset zu bringen.

Stattdessen berichtet das Nachrichtenportal Ynet nun, dass Likud und das Blau-Weiß-Bündnis von Gantz darüber diskutierten, in ihren Koalitionsvertrag eine Klausel aufzunehmen, der zufolge das Parlament aufgelöst wird und Israel zu Neuwahlen geschickt wird, falls Netanjahu wegen seiner Anklage wegen Bestechung an der Regierungsbildung gehindert wird.

Macht Gantz den Weg frei für eine Annexion?

In einem weiteren Streitpunkt, der möglichen Annexion von Teilen des Westjordanlands im Rahmen des umstrittenen US-Friedensplans der Trump-Administration, wird angenommen, dass Gantz sich von seiner früheren Forderung nach einem Vetorecht zurückgezogen hat. Damit wäre der Weg frei für eine Annexion, sollte das Weiße Haus zustimmen.

Wenn es bis Mittwoch um Mitternacht nicht zu einer Einigung kommt, will Rivlin das Mandat zur Regierungsbildung nicht an Netanjahu weitergeben, da er ohne das Blau-Weiß-Bündnis keine Aussicht auf eine Mehrheit von 61 Abgeordneten hat. Stattdessen will Rivlin das Mandat ans Parlament reichen.

Der erste Abgeordnete, der mehr als 61 Unterstützer*innen im Parlament hinter sich versammeln kann, würde dann von Rivlin mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Wenn sich das Parlament dann nicht innerhalb von 21 Tagen auf einen Kandidaten einigen kann, käme es zu einer vierten Parlamentswahl.

Seit der Wahl im April 2019 schon wird Israel von einer Übergangsregierung unter Netanjahu angeführt. Wegen der politischen Sackgasse wurde zuletzt am 2. März gewählt. Auch dies brachte keine Mehrheit für Netanjahus rechtsreligiösen Block oder Gantz' Mitte-links-Lager.

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