Regionalkonferenzen für SPD-Vorsitz: Roadtour startet mit einem Rückzug

17 BewerberInnen, 23 Stationen: Mit Regionalkonferenzen will die SPD ihre neue Führung finden. Beim Start sah man bereits erste Tendenzen.

Ralf Stegner und Gesine Schwan stehen auf der Bühne und sprechen zum Publikum

Es waren Ralf Stegner und Gesine Schwan, die in Saarbrücken den meisten Beifall bekamen Foto: reuters

SAARBRÜCKEN taz | Zweieinhalb Stunden lang präsentierten sich in der Saarbrücker Kongresshalle die 17 BewerberInnen für den Parteivorsitz der SPD, warben für ihre Ideen und stritten über Konzepte für die Überwindung der Krise der SPD. Zum Auftakt der Regionalkonferenzen, mit der die Partei ihre neue Führung finden will, wurde am Mittwochabend zwar nicht ausgezählt. Erst nach Abschluss der SPD-Roadtour mit bundesweit 23 Stationen werden die Parteimitglieder befragt; doch schon beim Start in Saarbrücken gab es erste Ausfälle und Tendenzen.

Für die erste Überraschung sorgte das Tandem der OBs von Flensburg und Bautzen, Simone Lange und Alexander Ahrens. Die prominenten SPD-Kommunalpolitiker zogen bereits während der ersten Vorstellungsrunde ihre Bewerbung zurück. Sie empfahlen stattdessen die Wahl des früheren NRW-Finanzministers Norbert Walter-Borjans und der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken aus Baden Württemberg. Für dieses Tandem hatte sich zuvor bereits Juso-Chef Kevin Kühnert ausgesprochen.

In Saarbrücken sammelten die beiden weiter Punkte, Walter-Borjans mit seinem leidenschaftlichen Plädoyer für mehr Steuergerechtigkeit, Esken mit ihrem Vorschlag für „ein Jahrzehnt der Investitionen“ in Gemeinden und Städten des Landes. Die „schwarze Null“ dürfe nicht länger tabu sein, sagte sie, mit der Einschränkung, dass vieles zunächst nicht umzusetzen sei. „Dafür sind wir in der falschen Koalition“, sagte die Bundestagsabgeordnete.

So weit wie ihre FraktionskollegInnen Nina Scheer und Karl Lauterbach wollte sie allerdings nicht gehen. „In der Großen Koalition wird sich die SPD niemals glaubhaft erholen“, begründete Lauterbach seine Forderung nach einem schnellen Ausstieg. Er erhielt zwar für seine ernüchternde Bilanz der SPD-Regierungszeit, in der die Reichen reicher und die Armen ärmer geworden seien, viel Beifall. Doch der Saal folgte eher dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius. „Aus der kalten Hose“ aus der Groka auszusteigen, werde die Krise der SPD nicht beenden. Es gelte vielmehr zur Halbzeit zu prüfen, „was jetzt noch geht“, und die eigenen Erfolge herauszustellen: „Wenn wir sie nicht feiern, tut das keiner“, sagte er.

Parteivize Scholz bleibt blass

Nachdem SPD-Parteivize Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und Vizekanzler, spät seinen Hut in den Ring geworfen hatte, galt er zunächst als Favorit. Doch seine Tandempartnerin Klara Geywitz patzte bei der Wahl in Brandenburg. Sie verlor ihr Landtagsmandat an eine Grüne. Sie und Scholz blieben zudem in Saarbrücken blass. Ob er denn glaubwürdig für einen Neuanfang stehen könne, obwohl er doch maßgeblich daran beteiligt gewesen sei, die Partei „ins Tal der Tränen zu führen“, hielt ihm ein verdienter Genosse vor. „Ich bin ein echter truely Sozialdemokrat“, versicherte Scholz trotzig.

Es waren Gesine Schwan und Ralf Stegner, die an diesem Abend den meisten Beifall bekamen. Zudem hatten sie immer wieder die Lacher auf ihrer Seite. In kurzen Sätzen skizzierte Stegner eine entschieden sozialdemokratische Sozial- und Finanzpolitik: Jeder soll von seinem Gehalt und von seiner Rente leben können, es müsse eine Grundsicherung für Kinder geben, unverzichtbar sei die Grundsicherung ohne Bedürftigkeitsprüfung. „Beim Kindergeld und bei Steuererleichterungen gibt es auch keine Bedürftigkeitsprüfung“, rief Stegner in den Saal.

Gesine Schwan widersprach dem Satz von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, es gebe keine sozialdemokratische, sondern nur eine gute Wirtschaftspolitik. Sie versprach eine geistige Erneuerung der Partei und empfahl das Team mit dem „Praktiker“ Stegner und mit ihr, als der Theoretikerin. Allerdings rückte sie das Bild vom Tandem zurecht. Bei ihnen gebe er nicht einen, der lenke und eine, die trete. „Wir denken beide vorne und trampeln beide hinten“, versprach sie.

Dem jüngsten Team, Christina Kampmann aus NRW und Staatsminister Michael Roth aus Hessen, gelang ein frischer Auftritt mit neuen Ideen. So wollen sie einfache Parteimitglieder per Losentscheid in den Parteivorstand berufen, um das Gremium zu erden. Roth nannte die SPD kämpferisch das „älteste Bündnis gegen rechts seit 1863“. Doch es wäre eine Überraschung, sollten die beiden in die Stichwahl der beiden Teams gelangen, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Allenfalls Außenseiterchancen haben auch die Parteilinken Hilde Mattheis und Dierk Hirschel, die harte Attacken gegen die Realpolitik der SPD ritten. So stellte Mattheis selbstkritisch fest, „die Verteilungsschere ist durch unsere Politik auseinandergegangen“.

Ein überzeugendes Konzept?

„Das ist mal was Neues, eine SPD-Castingshow“, hatte der saarländische SPDler Jo Leinen noch zum Auftakt des Konferenzmarathons gespöttelt, am Ende des Tages gab er sich allerdings „positiv überrascht“. Der taz sagte er, „vielleicht ist das wirklich eine Alternative zu den Hinterzimmerdeals, nach denen die überraschten Parteimitglieder hinterher erfahren, wen sie wählen sollen“. Die rund 600 GenossInnen, die gekommen waren, sahen das wohl ähnlich. Mit stehendem Applaus schickten sie die KandidatInnen auf ihre Tour durch die Landesverbände.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gab sich danach erleichtert. Er hatte die Urwahl der Parteivorsitzenden nach einer Reihe von Regionalkonferenzen gegen viel Skepsis durchgesetzt und empfand den Auftakt als gelungen.

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