Regionalwahlen in Spanien: Die Veränderung kommt von unten

Es kündigt sich ein Wandel in Spaniens Parteienlandschaft an: Podemos und Ciudadanos heißen die neuen Kräfte, die jetzt mit um Stimmen kämpfen.

Podemos hat gute Aussichten bei den Regionalwahlen. Bild: reuters

MADRID taz | „2015 ist das Jahr der Veränderung“, ruft Pablo Iglesias, wo immer er auftritt – und wird dafür frenetisch gefeiert. Seine Antiausteritätspartei Podemos („Wir können“) will am kommenden Sonntag die Politiklandschaft seiner Heimat grundlegend aufmischen: Die Spanier wählen in 13 der 17 autonomen Regionen die regionale Regierung und in über 8.000 Ortschaften die Gemeinderäte. Podemos – die vor einem Jahr überraschend fünf Europamandate erzielte – dürfte flächendeckend in die Regionalparlamente einziehen.

In den Kommunen treten Bürgerlisten an, die von Podemos, Bürgerinitiativen und anderen linken und ökologischen Kräften unterstützt werden. In den beiden größten Städten – Madrid und Barcelona – könnten sie ins Bürgermeisteramt einziehen, ebenso in den nordwestspanischen Städten Santiago de Compostela und A Coruña.

Großer Verlierer dürfte die regierende konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy sein. Sie wird wohl fast alle Regionalregierungen und Rathäuser verlieren. Die Wähler verzeihen vier Jahre Sparpolitik und Hunderte Korruptionsskandale nicht.

Auch die zweite große Partei, die sozialistische PSOE, wird es schwer haben: Bevor sie 2011 die Wahlen verlor, war sie für erste harte Sparprogramme verantwortlich; auf Druck aus Berlin nahm sie eine Schuldenbremse in die Verfassung auf. Jetzt hat die Rückzahlung von Schulden Vorrang vor Sozialleistungen.

Überläufer von den großen Parteien

Kapital aus dem Unbehagen der Wähler mit dem alten Parteiensystem schlägt nicht nur Podemos. Ein neues Schwergewicht ist auch die Partei Ciudadanos („Bürger“), die vor neun Jahren im nordostspanischen Katalonien entstand. Während die großen Zeitungen auf Druck der Wirtschaft Podemos und die Bürgerlisten zumeist totschwiegen, wurde Ciudadanos mit Hilfe der Medien in nur wenigen Monaten im ganzen Land bekannt.

Deren Listen speisen sich unter anderem aus Überläufern der beiden großen Parteien. Ciudadanos-Kandidaten wettern ebenfalls gegen Korruption, aber ihr Wirtschaftsprogramm unterscheidet sich nur wenig vom Neoliberalismus der Konservativen.

Politiker der regierenden Volkspartei werben mehr oder weniger offen um Ciudadanos: Eine Koalition könnte mancherorts verhindern, dass die PP dort aus der Regierung gedrängt wird.

„Wir haben die Wahl zwischen einer echten Veränderung und der Politik, die uns in die Katastrophe gestürzt hat“, betont Podemos-Parteichef Iglesias immer wieder. Dabei richtet sich die Kritik auch gegen Ciudadanos.

Podemos fordert ein Ende des Sparkurses, die Rückführung der privatisierten Einrichtungen in öffentliche Hand, Maßnahmen gegen die Korruption. Sie beklagt die 26 Prozent Arbeitslosen und prangert die wachsende Armut an; sie verspricht neue Gesetze, um die Zwangsräumungen von Wohnungen zu stoppen und um die Grundversorgung mit Strom, Wasser und Gas auch für die Familien zu garantieren, die kein Geld mehr haben.

Enttäuschte Sozialisten und Gewerkschafter

„Sí se puede!“ – „Ja wir können!“ –, rufen die Menschen auf den Veranstaltungen von Podemos und den Bürgerlisten immer wieder. Die neuen Kandidaten stammen zum größten Teil aus der Bewegung der Empörten, die vor vier Jahren Spaniens Plätze besetzten, und aus den Protestbewegungen gegen die Kürzungen und Privatisierungen.

„Wir wollen eine souveräne Regierung und keine Kolonialregierung unter Angela Merkel“, erklärt Iglesias. Er beschuldigt die europäische Sozialdemokratie des Verrates an ihren Idealen: „Echte Sozialdemokraten wählen violett“ – die Farbe von Podemos –, sagt er und wirbt um enttäuschte Sozialisten und Gewerkschafter. Dabei redet er nicht dem alten Klassenkampf das Wort. Es geht vielmehr um „unten“ und „oben“. Das kommt an. Keine Partei zieht so unterschiedliche Altersgruppen und Bevölkerungsschichten an wie Podemos. „Wir werden für die Menschen regieren und nicht für die Eliten“, verspricht sie. In der Bergbauregion Asturien und in Arawie stehen sich nicht mehr zwei große Blöcke – Volkspartei und Sozialisten – gegenüber, sondern mit Podemos und Ciudadanos vier starke Parteien. Alle bewegen sich rund um die 20-Prozent-Marke.

In der Bergbauregion Asturien und in Aragonien könnte Podemos stärkste Partei werden, in Comunidad de Madrid und im Land Valencia könnte die neue Kraft als Zweitstärkste aus dem Rennen gehen und eine Regierungskoalition mit den Sozialisten anführen.

Wenn sich demnächst nichts grundsätzlich verändert, dürften letztendlich nur wenige Stimmen über den Sieg entscheiden. Podemos-Gründer Iglesias sieht in den Parlamentswahlen im Herbst eine Art „Volksabstimmung“ über die Sparpolitik: „Und bei einer solchen Volksabstimmung haben wir gute Chancen zu gewinnen.“

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