Regisseurin Sherry Horman über Quoten: „Ich bin einfach kein Klub-Typ“

Es fehlt dem Fernsehen an starken Frauen, sagt die Regisseurin Sherry Hormann. Und zeigt, wie es besser ginge.

Zwei Frauen in weißen Hemden tanzen Rücken an Rücken in einem Club, um sie herum stehen Menschen und sehen zu

Ja, ja, so war das früher in der DDR: Tanzen durften sie, sprechen dafür kaum, die Frauen. Hier: Anna-Maria Mühe (r.) und Birgit Wachowiak Foto: Hans-Joachim Pfeiffer (ZDF)

taz: Frau Hormann, warum haben Sie eigentlich nicht den Aufruf von ProQuote Regie, der mehr Regisseurinnen in öffentlich-rechtlichen und öffentlich geförderten Filmen fordert, unterzeichnet?

Sherry Hormann: Ich war in ProQuote Regie – und bin wieder ausgetreten.

Warum? Es hat sich doch an den Fakten in den vergangenen zwei Jahren wenig geändert.

Das Denken ändert sich nicht über Nacht. Wir müssen jede Chance nutzen, starke Frauen zu erzählen. Der Blick auf Frauen in guten Geschichten ändert vielleicht mehr als eine Quote.

Warum sind Sie ausgetreten?

Ich fand den Ansatz ursprünglich gut: Wir reden so viel über Quoten in der Gesellschaft, schauen wir uns doch mal an, wie die Frauen in der Filmbranche verteilt sind. Ich finde den Ansatz auch weiterhin wichtig, aber wenn es zu Zwängen und Nebenschauplätzen kommt, geht es an der Sache vorbei.

Welche Nebenschauplätze haben sie gestört?

Das waren Verallgemeinerungen, die ich schade finde. Wenn wir uns in Statistiken und Normen zu sehr aufhalten und die Sprache zu laut wird, das ist nicht zielführend. Dann wird man nicht mehr ernst genommen, im Gegenteil, man schadet der Sache. Jede macht es halt dem eigenen Wesen gemäß. Ich bin einfach kein Klub-Typ. Interessengemeinschaften sind wichtig, Erfahrungsaustausch ist wichtig, nur glaube ich nicht an die Kraft der Quote.

Welche Verallgemeinerungen meinen Sie?

Ich möchte nicht nur ob meines Geschlechts wahrgenommen werden. Ich möchte als Kreativmensch wahrgenommen werden. Ich möchte, dass lediglich darüber gesprochen und entschieden wird, ob der oder die richtig für den Job ist. Wie häufig werde ich gefragt, ob ich nicht dies oder jenes machen könnte. Dann frage ich: Warum gerade ich? Und dann geht es nur darum, dass auf dem Panel oder in der Jury neben all den Männern noch eine Frau gebraucht wird. Damit werden Frauen degradiert. Und ich möchte mich nicht in Zwänge hineinbegeben, in denen ich mich aufs Frausein reduziere.

Mit einem Film wie „Lotte Jäger“ einen Stoff für die Primetime im öffentlich-rechtlichen Fernsehen inszenieren zu dürfen, sind Sie die krasse Ausnahme: Acht von neun Filmen werden von Männern gemacht. Woran liegt das?

Wir haben sehr viel weniger Regisseurinnen als Regisseure. Warum? Das kann ich nicht beantworten, ich glaube aber auch nicht, dass eine Statistik die Antwort ist. Soweit ich weiß, bewerben sich nach Abschluss eines Filmstudiums wesentlich weniger Frauen auf dem sogenannten Arbeitsmarkt als Männer. Aber es gibt ja mittlerweile eine ganze Menge Frauen, die Krimis drehen. Als ich an der Filmhochschule war, war das noch eine reine Männerdomäne, weil: „Du kannst doch gar nicht sowas Schweres tragen.“ „Lotte Jäger“ ist ja ein großer Männercast, da war sehr viel Testosteron vertreten.

56 Jahre alt, in den USA geborene Autorin und Regisseurin. Einem größeren Publikum bekannt wurde sie 1991 mit dem Film „Lange Schatten“. Zuletzt inszenierte sie u.a. die Autobiografie von Waris Dirie („Wüstenblume“) und Natascha Kampuschs Leben als Gefangene („3096 Tage“).

Da steht man als Frau und fragt schlicht die Männer, wie sie sich denn so ein Saufgelage vorstellten. Es geht um einen Austausch: Was bieten die einem an? Ich muss doch nicht auf jedem Gebiet genauso potent sein wie alle anderen. Das gilt aber nicht nur für die Mann-Frau-Thematik, sondern für alles: Der Film spielt zu großen Teilen in der DDR, ich bin aber kein Mensch, der im Osten sozialisiert wurde. Im Gegenteil: Ich wurde immer an der Grenze festgehalten, weil ich einen amerikanischen Pass habe. Aber manchmal ist ja genau das interessant, dass jemand einen distanzierteren Blick hat.

Und wer hatte die Idee, dass die Männer nach der volkseigenen Jagd auf dem Jagdhaus Hubertusstock Gläser essen?

Rolf Basedow [der Drehbuchautor; d. Red.]. Das ist eine klassische Rolf-Basedow-Idee.

Trotz all dieser saufenden, Gläser fressenden Alphamänner ist Ihr Film auch ein Emanzipationsfilm: eine Chefin im Jetzt, die in einem Mordfall ermittelt, der in einer Zeit und einem Umfeld – höchste Politkaste in der DDR, Ende der 80er – stattfand, in der Frauen nur schmückendes Beiwerk waren.

„Lotte Jäger und das tote Mädchen“ läuft am Montag, 12.09., um 20.15 Uhr im ZDF

Mich hat die Hauptfigur gereizt: Sie ist eine sehr starke Frau, die die Kohle ranschafft, während ihr Mann „nur“ musiziert, und die sich bei den Ermittlungen auf eine ganz unaufgeregte Art in diese Männerwelt fräst. Es gefiel mir, wie Rolf Basedow und Ralf Zöllner diese Figur geschrieben hat. Das ist eine sehr interessante, moderne Frauenfigur, eben weil sie nicht so auftritt: „Hey, ich bin eine patente Frau, ich kann alles.“ Sie stolpert manchmal über ihre Unreflektiertheit, macht den Leuten, die sie befragt, keine Angst, sie verweilt auch einfach mal und interessiert sich mehr fürs Opfer als für die möglichen Täter, sie zeigt, dass es sich lohnt, etwas aufzudecken – das gibt es tatsächlich selten in dem Genre Krimi, das so stark im Fernsehen vertreten ist.

Lotte Jäger kommt an ihr Ziel, manchmal direkt, manchmal forsch, aber nie breitbeinig. Entspricht das auch Ihnen?

Wer weiß denn, wer man ist? Und damit sind wir auch wieder bei Ihren Anfangsfragen: Das ist es, worum es doch eigentlich geht: Wir haben hier eine moderne Frauenfigur, von einem Mann geschrieben, von einer Frau in Szene gesetzt.

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