Reichtagsbrand: Todesurteil endlich aufgehoben

Die Generalbundesanwältin rehabilitiert den niederländischen Anarchisten Marinus van der Lubbe, der 1933 als Reichtags-Brandstifter verurteilt worden war.

Der brennende Reichstag in der Nacht des 27. Februar 1933. Bild: dpa

FREIBURG taz Rund 75 Jahre nach dem Reichtsagsbrand von 1933 hat Generalbundesanwältin Monika Harms jetzt das Urteil gegen den damals zum Tode verurteilten niederländischen Anarchisten Marinus van der Lubbe aufgehoben. Die Entscheidung hat nur symbolische Wirkung und ist nicht mit einer Entschädigung seiner Erben verbunden.

Am 27. Februar 1933, kurz nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler, stand in Berlin der Reichstag in Flammen. Im brennenden Gebäude wurde der holländische Anarchist Marinus von der Lubbe festgenommen, der die Tat gestand. Er habe die Arbeiter aufrütteln wollen. Die Polizei ging von einem wirren Einzeltäter aus. Doch die NS-Führung versuchte sofort, die deutschen Kommunisten für den Brand haftbar zu machen. Noch in der Nacht wurden in Berlin 1.500 kommunistische Funktionäre verhaftet. Am nächsten Tag wurden mit der "Schutzverordnung für Volk und Staat" die Grundrechte der Weimarer Verfassung faktisch außer Kraft gesetzt.

Das Reichsgericht verurteilte van der Lubbe Ende 1933 zum Tode, im Januar 1934 wurde er enthauptet. Vier mitangeklagte Kommunisten wurden dagegen aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die empörte NS-Führung errichtete daraufhin den Volksgerichtshof als williges Sondergericht für derartige Prozesse.

Die Bundesanwaltschaft hob das Urteil gegen van der Lubbe jetzt auf, weil es auf spezifischem NS-Unrechtsvorschriften beruhte. Zum einen wertete Harms die sofort nach dem Brand erfolgte Anordnung der Todesstrafe für eine Brandstiftung als exzessiv. Für rechtsstaatswidrig hält sie außerdem ein zweites NS-Gesetz, das die Todesstrafe auch rückwirkend erlaubte.

Harms stützte sich nun auf ein Gesetz des Bundestags von 1998. Das "Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile" hob die Urteile des Volksgerichts und der militärischen Standgerichte pauschal auf. Bei den übrigen Strafurteilen kam es darauf an, ob sie auf spezifischem NS-Recht beruhten - was Harms im Fall van der Lubbe jetzt bejahte. Die Anregung zur Rehabilitation kam von dem Berliner Rechtsanwalt Reinhard Hillebrand.

Ob van der Lubbe tatsächlich der Täter war, was die historische Wissenschaft heute überwiegend annimmt, musste Harms nicht entscheiden. Eine Minderheit der Historiker geht auch heute noch davon aus, dass ein Einzeläter nicht zehn Brandherde im Reichtstag legen konnte - was auf eine Täterschaft der Nationalsozialisten hindeutete, denen der Brand ja ohnehin sehr gelegen kam.

Seit Jahrzehnten versuchten Angehörige van der Lubbes eine Aufhebung des Urteils zu erreichen. Bisher nur mit beschränktem Erfolg. 1967 wandelte das Landgericht Berlin das Urteil von Todesstrafe in acht Jahre Haft um. 1980 hob das Gericht in einem Wiederaufnahmverfahren das Urteil zwar ganz auf, was aber der Bundesgerichtshof nicht akzeptierte. Das spezifische NS-Unrecht sei mit der Milderung der Strafe bereits entfallen, so der BGH 1983. Erst das neue Gesetz von 1998 erlaubte nun eine vollständige Aufhebung der Verurteilung van der Lubbes.

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