Reisen in Südkorea: Im Schatten hoher Ginkgobäume

Zwischen Kimchi und K-Pop: Eindrücke aus Südkorea, unterwegs in Seoul und der Provinz Gangwon-do rund um die Stadt Pyeongchang.

Hochhäuser mit Glasfassade aus Froschperspektive

Sobald man näher an Seoul gelangt, nimmt die Hochhausdichte zu: Samsung-Firmenzentrale Foto: dpa

Als Erstes fallen die Berge auf. Hoch sind sie nicht, eher so Mittelgebirgsanmutung. Dafür geben ihnen die Pinien, von denen sie dicht bewachsen sind, ein sanftes, zugleich wildes Aussehen.

Und dann fallen einem unterwegs vom Flughafen in die Stadt die Autos auf. Dass man in Südkorea gelandet ist, merkt man spätestens daran, dass die meisten vorbeiziehenden Fahrzeuge von Hyundai und KIA sind, ein paar europäische Marken dazwischen und einige, die sich nicht auf den ersten Blick zuordnen lassen. Später stellt sich heraus, dass die Mehrheit von ihnen Marken besagter zweier Firmen sind. Ansonsten gibt es noch diese Autos mit einem in sich verschobenen Oval als Logo, die sind von Renault Samsung.

Sobald man näher an Seoul gelangt, nimmt die Hochhausdichte stetig zu, Ansammlungen von zum Teil bemerkenswert hohen Wohnstapeln und Geschäftstürmen. In der Stadt liegen die älteren Viertel mit ihren niedrigen Gebäuden, die mühsam die Hügel hochwachsen, oft im Schatten ihrer aufragenden Nachbarn. Oder kleine Tempel verteidigen inmitten von Wolkenkratzern ihren Platz.

Durch Seoul und die Provinz Gangwon-do

Die Korea Foundation hat zu einer Reise nach Südkorea geladen. Mit einer Gruppe von zehn europäischen Journalisten geht es durch Seoul und die Provinz Gangwon-do in die Stadt Pyeongchang, wo im nächsten Jahr die Olympischen Winterspiele sind. Eine Gelegenheit, das Land kennenzulernen, das man bisher eher aus Filmen oder von Restaurantbesuchen kannte.

Überhaupt das Essen: Wenn man vor Antritt der Reise darüber nachdachte, was man meinte vom Land zu kennen und was einen an Südkorea interessiert, war die dortige Küche unter den ersten Dingen. In Korea stellt sich heraus, dass das Essen wirklich einen immens hohen Stellenwert im Alltag einnimmt.

In öffentlichen ­Toiletten zeigen Monitore überblicksartig die Belegung der Kabinen an

Bei einer ersten Einführung in die Kultur des Landes lässt der Referent die koreanische Küche denn auch nicht unerwähnt. Ebenso wenig das Konzept von Nahrung als Medizin. Oder die Stäbchen, die in Korea aus Metall sind und sehr ­schmal, was sie schwierig in der Handhabung macht. Soll aber gut für das Gedächtnis sein. Ähnlich wie Ginseng.

Neue Beliebtheit

Den Gebrauch der Stäbchen erproben kann man gleich beim Begrüßungsessen mit Bibimbab – Reis, Gemüse, Rindfleischstreifen, ein rohes Wachtelei, alles zum Verrühren. Dazu wird Makgeolli gereicht, ein milchiger Reiswein mit leicht säuerlichem, prickelndem Geschmack. Früher unter Bauern und Arbeitern beliebt, hat sich das Traditionsgetränk inzwischen als Hipster-Drink einen Namen gemacht, junge Koreaner und selbst koreanische Popstars haben ihm zu neuer Beliebtheit verholfen.

Popstars spielen in der heutigen Kultur des Landes keine kleine Rolle. Dass Hits made in Korea dem ganzen Globus ihren Takt aufzwingen können, hat eindrücklich Psy mit seinem unerbittlichen „Gangnam Style“ vorgemacht. Was bloß die Spitze des Eisbergs ist.

Der „K-Pop“ oder „Hallyu“ bringt in schöner Regelmäßigkeit neue Bands hervor, mit Namen wie Bigbang, F(x) oder NCT 127, die weit über die Landesgrenzen hinaus in ihrer Mischung aus R&B, HipHop, Eurodance und süßlichem Pop eine sehr bewusst gewählte Künstlichkeit kultivieren.

Zum Studieren nach Südkorea

Beim Besuch im Broadcasting Theme Park „MBC World“ kann man sich mit einem „Hologrammkonzert“ – einem ziemlich realistisch gemachten Videoauftritt – von Bigbang einen ersten Eindruck verschaffen. Deren synthetischer R&B klingt gar nicht mal schlecht. Und der Erfolg von K-Pop, bei dem übrigens nicht selten Produzenten aus Skandinavien oder Großbritannien für den Sound verantwortlich zeichnen, ist so groß, dass inzwischen Menschen aus anderen Ländern eigens der Musik wegen zum Studieren nach Südkorea kommen.

Und in unserer Journalistengruppe reist eine Kollegin aus Deutschland, die als Redakteurin bei K*bang arbeitet, einem Magazin, das sich ausschließlich koreanischem Pop, zu dem auch eine Flut neuer TV-Soaps gehört, widmet. Der traditionellen Zither kayagūm, deren sanft gezupfte Töne bisher die nationale Musik bestimmten, ist hier ernsthafte Konkurrenz erwachsen.

Erstaunlich ist, dass im Land mit dem schnellsten Internet der Welt die Musikindustrie nicht komplett auf Downloads und Streaming umgestellt hat. Tatsächlich werden noch viele CDs verkauft, gern in verschwenderisch üppigen Boxen verpackt, die bevorzugt „Mini-Alben“ mit rund 20 Minuten Musik beherbergen.

Staatlich geplante Angelegenheit

Noch erstaunlicher: Bei K-Pop handelt es sich um kein eigenständig gewachsenes Phänomen, sondern um eine staatlich geplante Angelegenheit, die auf Präsident Kim Dae Jung zurückgeht: Musik als Exportartikel sollte dem Land in den späten neunziger Jahren, als Marken wie Samsung, Hyundai und LG noch keine Weltmarken waren, aus seiner Finanzkrise helfen – und als großangelegte Imagekampagne dienen. Das Konzept scheint aufgegangen zu sein.

Toll überhaupt: die Technik. Die Toilette im Hotel hat nicht nur eine Gesäßspülungs- und Bidetfunktion – eine besondere Erfahrung –, sondern reinigt zudem altersgerecht für Jung und Alt („Silver“), mit hübschen, selbsterklärenden Piktogrammen auf den Tasten. In öffentlichen Toiletten zeigen Monitore überblicksartig die Belegung der einzelnen Kabinen an. Draußen auf den Straßen haben riesige Displays mit Videoprojektionen die herkömmliche Plakatwerbung abgelöst. Nur einen direkt ansprechen tun sie bisher nicht.

Unter den Displays wachsen an den Bürgersteigen von Seoul prächtige Ginkgobäume empor. Daneben recken sich auffällig viele Kirchenkreuze in den Himmel. In Südkorea sind rund 27 Prozent der Bevölkerung Christen, ihr Anteil ist damit größer als der der Buddhisten.

Baseballnetze zum Üben

Das Christentum zählt allerdings nicht, wie man meinen könnte, zu den vielen Spuren des Einflusses der US-Truppen, die seit 70 Jahren im Land stationiert sind: Den christlichen Glauben brachten koreanische Intellektuelle schon im 18. Jahrhundert von Reisen nach China mit zurück. Eindeutig aus den USA „importiert“ hingegen sind die großzügig in der Stadt verteilten Baseballnetze zum Üben.

Die aktuelle Tagespolitik drängt auf der Reise immer wieder an die Oberfläche. Beim Besuch der Donga Media Group, dem Sitz der großen Tageszeitung Donga Ilbo, erklärt sich deren Titelseite durchaus ohne Koreanisch-Sprachkenntnisse: Ein Foto zeigt eine Gruppe junger Menschen, bei einem ist der Kopf eingekreist.

Es ist Otto Warmbier, der US-amerikanische Student, der auf einer Reise durch Nordkorea angeblich versucht hatte, ein Propagandabanner zu stehlen, verhaftet, verurteilt, inhaftiert worden war, im Koma nach Hause zurückkehrte und am 19. Juni gestorben ist. Während der Führung durchs Haus geht es jedoch nicht um die jüngsten Veränderungen im Verhältnis zu Nordkorea, sondern um allgemeine Fragen der täglichen Produktion der Zeitung und der Nachrichten des Fernsehsenders Channel A, der gleichfalls zu Donga gehört.

Im Flieger zurück schließlich kann man Eindrücke vom jüngsten koreanischen Filmschaffen sammeln. Da gibt es den so furiosen wie verschachtelten Polizeithriller „Master“ von Jo Ui Seok zu sehen, der im vergangenen Dezember in Korea anlief und dort zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres gehörte. Oder Eom Tae Hwas still ergreifende Fantasiegeschichte „Vanishing Time: A Boy Who Returned“, in dem ein Junge unerwartet verschwindet und kurz darauf noch unerwarteter als erwachsener Mann zurückkehrt. Vielleicht kommen beide Filme irgendwann ja auch in Deutschland ins Kino.

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