Reisen: Der Bus kommt

Bahnfahren mag schneller sein, aber billiger kommt man mit dem Bus nach Berlin. Noch gelten echte Kampfpreise auf dem seit einem Jahr liberalisierten Fernbusmarkt.

Fernbusse machen der Bahn Konkurrenz. Bild: dpa

In der ruhigen Seitenstraße des Würzburger Busbahnhofs stehen etwa 20 Menschen an einer Haltestelle. Die Szenerie ist karg und nüchtern, es gibt nichts zu beobachten, nicht mal viele Autos fahren hier lang. Es würde wenig überraschen, würde hier gleich ein Regionalbus halten, um Pendler an ihren Arbeitsplatz zu bringen. Allein die großen Taschen und Koffer der meisten Reisenden wollen nicht so recht dazu passen.

Denn hier warten keine Berufspendler, sondern Fahrgäste, die mit dem Fernbus nach Berlin fahren wollen. Laut Fahrplan soll das fast sechs Stunden dauern. Mit der Bahn wären es zwei Stunden weniger. Dafür auch mehr als 100 Euro teurer. 124 Euro will die Bahn im Normalpreis für die Strecke, mit dem Bus kostet es an diesem Tag, einem Wochentag, 17 Euro. Das ist sogar günstiger als eine Mitfahrgelegenheit.

Aber diese Kampfpreise der Fernbusbetreiber haben ein Ablaufdatum. Auch auf der Internationalen Tourismusbörse Berlin ist der „Fernbusmarkt Deutschland“ nächste Woche ein Thema. Im Programm zu der Veranstaltung heißt es: „Alle Anbieter sind weit davon entfernt, Gewinne zu erzielen. Stattdessen wird versucht, Marktanteile über niedrige Ticketpreise zu erkaufen.“

Ein Jahr nach der Liberalisierung des Fernverkehrs macht sich die Branche Gedanken, wie sie ernsthaft zur Kasse bitten kann. Erst seit dem 1. Januar 2013 dürfen außer Zügen nun auch Busse regelmäßige Fahrten innerhalb Deutschlands für Strecken anbieten, die länger als 50 Kilometer sind. Zuvor galt noch das Personenbeförderungsgesetz aus dem Jahr 1934, das die Bahn vor Konkurrenz schützen sollte.

Die Anreise ist ganz praktisch mit dem Bus möglich: der Zentrale Omnibusbahnhof Berlin (ZOB) liegt gleich um die Ecke des Messegeländes, wo sich ab Mittwoch wieder die Reiseindustrie zur Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin trifft. Diesjähriges Partnerland ist Mexiko.

Beim die Messe begleitenden ITB-Kongress wird auch der liberalisierte Fernbusmarkt in Deutschland ein Thema sein, mit der Frage "Wachstum um jeden Preis?" Dies für die Fachbesucher.

Für Privatbesucher geöffnet ist die ITB dann an den Abschlusstagen, Samstag, 8., und Sonntag, 9. März, von 10 bis 18 Uhr. Vor Ort kostet das Ticket 14,50 Euro, bei Onlinebuchung 12 Euro. Kinder unter 14 Jahren haben freien Eintritt (www.itb-berlin.de).

Berlin bleibt ein beliebtes Reiseziel: Am Donnerstag verkündete Berlins Touristikchef Burkhard Kieker, dass im Jahr 2013 26,94 Millionen Übernachtungen gezählt wurden in der Stadt, 8,2 Prozent mehr als 2012. Und in diesem Jahr mit dem Mauerfall-Jubiläum will Berlin noch mehr internationale Besucher anlocken.

Allerdings gab es eine Ausnahme: Weil Westberlin auch während der Teilung der Stadt ständig erreichbar sein sollte, gab es von hier aus immer auch Fernbusverkehr. Während der zu DDR-Zeiten allerdings von Westberlin aus nur auf den Transitstrecken rollte, geht es heute an den Haltestellen Schlag auf Schlag: Hamburg, München, Dresden, Osnabrück – kaum eine Stadt, die nicht von hier mit dem Bus erreichbar wäre.

Als der doppelstöckige Fernbus, von Freiburg kommend, an der Würzburger Haltestelle anhält, zücken die Passagiere ihre ausgedruckten Buchungsbestätigungen – die Tickets werden in der Regel online gekauft. Während der eine Fahrer das Gepäck verstaut, scannt der andere die QR-Codes auf den Buchungsbestätigungen ab. Der selbstverständliche Umgang mit Technik ist bei den meisten Anbietern Teil des Konzepts, viele werben mit kostenlosem WLAN. In der Umsetzung klappt das noch nicht alles perfekt. Das WLAN im Bus hat nur 16 Slots: Die ersten 16 Passagiere, die sich eingeloggt haben, hatten Glück, alle anderen Pech. Das erklärt der Fahrer sehr freundlich auf Nachfrage und verweist darauf, dass das WLAN noch in der Testphase sei.

Die gesamte junge Branche befindet sich noch in der Testphase. Oder in einer „Aufbruchstimmung“, wie eine Publikation des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) verheißt. „In diesem Jahr werden sich die entscheidenden Fragen klären, wie es auf dem Markt für Fernlinienbusse weitergeht“, sagt Matthias Schröter, Pressesprecher des Verbands. Vor allem vom weiteren Verlauf des Streckenausbaus und von den Fahrgastzahlen hinge das ab.

Die bisherigen Zahlen verheißen nur Gutes für die Branche: Laut einer Studie, die das Berliner Iges-Institut zusammen mit dem BDO Ende 2013 veröffentlicht hat, ist im Laufe des vergangenen Jahres das Angebot deutlich gestiegen: Pro Woche wurden Ende 2013 deutschlandweit 5.100 Fahrten angeboten, im Januar 2013 waren es nur 1.540. Mehr als eine Verdreifachung des Angebots also. Und das nutzten im ersten Halbjahr 2013 1,3 Millionen Fahrgäste. Eine Steigerung um 12,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: Im Fernverkehr mit der Bahn wurden 63 Millionen Fahrgäste im ersten Halbjahr 2013 befördert. Hier waren es allerdings 1,2 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2012.

Eine Stunde nach Würzburg kündigt der Fahrer eine Pause an. Eine halbe Stunde. Die Fahrgäste müssen den Bus nun an einer Raststätte verlassen: Die Raucher rauchen, eine junge Studentin sucht den günstigsten Schokoriegel, gegen den sie den Toilettenbon einlösen kann. Nach 15 Minuten schleichen die meisten wieder um den Bus rum. Der Weg ist hier für keinen das Ziel, alle wollen einfach schnellstmöglich ankommen. Das ist schließlich keine Kaffeefahrt.

Bisher kämpfen knapp 40 Anbieter auf dem Fernbusmarkt um Fahrgäste. Marktführer ist das Berliner Unternehmen Mein Fernbus, mit einem Anteil von fast 40 Prozent. Dahinter fahren unter anderem auch die Busse der Deutschen Bahn.

Stichwort Bahn: Auch nach einer Anhebung werde sich der Preis immer noch deutlich unterhalb der Preise anderer Anbieter abspielen, sagt BDO-Sprecher Schröter. Höhere Preise kann die Bahn auch deswegen fordern, weil ihre Infrastruktur weitaus besser ist. Lage und Zugänglichkeit der Fernbushaltestellen bereitet vielerorts noch Probleme.

Der Zentrale Omnibusbahnhof am Messedamm, an dem die Fahrgäste aus Würzburg heute pünktlich nach fünf Stunden und fünfzig Minuten in Berlin ankommen, kann da zwar im deutschlandweiten Vergleich gut mithalten. Mit der zentralen Lage des Hauptbahnhofs allerdings kann er kaum konkurrieren. Nur wenige Fahrgäste werden von Freunden und Verwandten mit dem Auto abgeholt. Die meisten verschwinden zügig in der S-Bahn zur Weiterreise.

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