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Rekordminus bei den Kommunen„Zeitenwende“ bei den Städten und Gemeinden

Die Finanzlage der Kommunen ist so mies wie noch nie. Die Bertelsmann-Stiftung warnt vor einer Handlungsunfähigkeit der Städte und Gemeinden.

Kommunen zählen die letzten Scheine? Foto: dpa

Gütersloh epd | Angesichts der dramatischen Finanzlage der Kommunen fordert die Bertelsmann-Stiftung eine Staatsreform. Ursachen des Rekorddefizits seien die hohe Inflation und eine schwache Konjunktur, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch bei der Veröffentlichung des „Kommunalen Finanzreports 2025“ in Gütersloh. Das Defizit des Jahres 2024 markiere eine Zeitenwende, die die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig infrage stelle, erklärte die Vorständin der Bertelsmann Stiftung, Brigitte Mohn.

Bereits im Frühjahr hatte die Finanzstatistik der Kommunen ein Milliardendefizit von 24,8 Milliarden Euro aufgezeigt. Kommunen schulterten mehr als 50 Prozent der öffentlichen Investitionen und seien wichtig für den sozialen Zusammenhalt. „Wir brauchen eine Staatsreform, weil die Kommunen diese wichtigen Aufgaben sonst nicht mehr wahrnehmen können“, forderte Mohn. Nötig sei eine eindeutige Finanzierungsverantwortung beim Bund.

Nicht nur hohe Defizite und ein Investitionsstau von etwa 215 Milliarden Euro belasteten die kommunalen Haushalte, erklärte die Kommunalexpertin der Stiftung, Kirsten Witte. Zusätzlich seien umfangreiche Investitionen in die Klimaanpassung der kommunalen Infrastruktur notwendig. „Angesichts der aktuellen Finanzlage werden die Kommunen die dafür notwendigen Mittel nicht allein aufbringen können“, erklärte Witte.

Auch das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität werde das nur teilweise decken. Langfristige Ansätze zur Finanzierung sind nach den Worten Wittes daher notwendig. Lösungsansätze könnten ein gemeinsames Bund-Länder-Sondervermögen oder ein privat-öffentlicher Zukunfts- und Transformationsfonds sein, erklärte die Expertin. Zudem müsse die dauerhafte Unterfinanzierung der Kommunen durch langfristige Strukturreformen behoben werden.

Die fetten Jahre sind vorbei

Die Kommunen hätten in den Jahren 2015 bis 2022 noch Überschüsse erzielt, erklärte die Stiftung. Bereits seit 2020 hätten diese auf Sondereffekten wie Hilfsprogrammen von Bund und Ländern basiert. Im Jahr 2023 habe es erstmals nach neun Jahren wieder ein Minus in den Kassen gegeben, das sich im Jahr 2024 mehr als verdreifacht habe. Der alle zwei Jahre veröffentlichte „Kommunale Finanzreport“ der Bertelsmann Stiftung basiert den Angaben nach auf den jeweils aktuellen amtlichen Finanzstatistiken. Erarbeitet wurde der aktuelle Report in Kooperation mit der Technischen Hochschule Wildau und dem Deutschen Institut für Urbanistik.

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15 Kommentare

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  • Keine Sorge, wird noch deutlich schlimmer. Wenn die Regierungspläne der Steuergeschenke für Firmen erst durchgesetzt wird (die gehen zulasten der Kommunen) und wenn tatsächlich notwendige Infrastrukturprojekte angegangen werden sollten (denn die sind zu 70-80% in Kommunen notwendig; Schulen, Straßen, Schwimmbäder etc.), dann ist da erst richtig Land unter.

    Aber zum Glück gibt es ja schon Schuldige für diese Zeit: die AsylantInnen werden es dann wieder sein, die die Kommunen angeblich überlasten. Wie gut, dass es noch ein paar wenige davon gibt.

  • Liebe Mit-TAZ-Leser, ich habe mehrere Bitten an Euch. 1. Bitte vergleicht die Wertung zu dem Thema in diesem Artikel sorgfältig mit anderen Artikeln, die zu dem Thema erschienen sind. ". 2. Bitte, fragt Euch mal, warum zu diesem deutschlandweit wichtigen Thema die Bertelsmann-Stiftung sich aktiv und massiv in die Meinungsbildung einmischt, wenn eigentlich Tausende Kommunen in Deutschland einfach anhand ihrer normalen Routinen der Haushaltsüberwachung uns sagen könnten, was hier eigentlich vorgeht. Und zum 3. Hört mal genau auf die Rechtfertigungsversuche von Lars Klingbeil. Anscheinend legt er noch Wert darauf, als Sozaldemokrat wahrgenommen zu werden. Er wird seine Gründe haben. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass die Anstalt das Thema aufnimmt, samt dem üblichen Faktencheck.

  • Die reichsten 500 Deut#chen haben ihr Vermögen von 2020-2024 um 500 Mrd.€ steigern können, auf 1100 Mrd. €. Wenn man denen so viel Geld schenkt, muss man sich nicht wundern, wenn der Staat nicht mehr genug Geld hat. Wenn der Staat pro Jahr 50 Mrd. € VPN denen nimmt, hätten die in den 4 Jahren immer noch 300 Mrd. Vermögenszuwachs gehabt, wären also nicht verhungert.



    Problem gelöst.

  • Wenn das Geld fehlt müssen die Ausgaben auf das unbedingt Notwendige beschränkt werden, alles andere wird zurückgestellt.



    Privat kann ich ja auch nicht mehr ausgeben wie ich habe.

    • @Filou:

      Richtig. Und wenn Sie sich gerade zwei neue SUVs gekauft haben, muss die Familie halt hungern. Man kann ja nicht mehr ausgeben als man hat.



      Ersetze SUVs gegen Aufrüstung und Steuergeschenke für Reiche.



      Sie könnten sich mal mit Geldtheorie beschäftigen (MMT), dann wüssten Sie, dass gerade der Staat durchaus mehr Geld ausgeben kann als er "hat".



      Besitzen Sie ein Haus/Eigentumswohnung? Direkt bar bezahlt, oder mit Kredit? Mehr ausgegeben als Sie haben?

      • @Jalella:

        "Sie könnten sich mal mit Geldtheorie beschäftigen (MMT)..."



        Sollten Sie lieber nicht empfehlen :-)



        Wer sich ernsthaft mit MMT beschäftigt, kommt unweigerlich zu dem Ergebnis: Das ist der absolut sichere Weg in die Inflation...

    • @Filou:

      Seit fast 30 Jahren schenkt deudeutsche Staat den Reichsten die Vermögenssteuer. Insgesamt über 400 Mrd.€



      Als Privatmann würde ich aufhören, denen jedes Jahr so viel Geld zu schenken.

    • @Filou:

      Das ist ja überhaupt keine Aussage.

      Erstens können Sie selbstverständlich Geld ausgeben, das Sie erst in der Zukunft haben werden - nennt sich Kredit.



      Zweitens sind gerade die Kommunen teilweise völlig machtlos, wenn sie neue Ausgaben übernehmen müssen.



      Drittens könnten anstatt der reduzierten Ausgaben natürlich auch die Einnahmen erhöht werden.

      Offenbar soll hier einfach nur die "Weniger Ausgaben!"-Botschaft platziert werden, entgegen jeder Logik.

      • @hoax:

        Auch ein Kredit ist Geld das ich habe, ich muss diesen nur mit Zinsen zurückzahlen können und zwar aus meinen laufenden Einnahmen.

  • Wenn sich Kommunen in Verwaltung und Politik auf die eigentlichen Aufgaben konzentrieren würden, bräuchte es nur die Hälfte des Finanzaufwands und Personals. Inkompetenz, Pfusch und Korruption dürften mittlerweile 20-30% der Ausgaben begründen. Es ist ja das Geld der Anderen.

  • Grund für die Überlastung der Kommunen sind die drastisch gestiegenen Sozialausgaben. Warum wird das im Artikel nicht wenigstens mal angesprochen? Diese sind beispielsweise allein im letzten Jahr um 11,7% gestiegen bei den Kommunen bei weitesgehend stagnierenden Einnahmen. Manche Kommunen geben inzwischen bis zu 58% ihres Gesamthaushalts für Transferleistungen aus. Lasst mal den Bund beispielsweise das Bürgergeld für Ukrainer übernehmen sowie die Unterbringungskosten für Bürgergeldempfänger generell. Es kann nicht sein, dass die Kommunen sehen müssen wie sie die Wahlgeschenke aus Berlin irgendwie notfinanzieren.

    • @Šarru-kīnu:

      Inhaltlich stichhaltiger Punkt, aber die Ukrainer*innen dürfen nicht wählen, insofern ist der Vorwurf "Wahlgeschenk" hier inhaltlich sinnlos.

  • Kleiner Tipp an die Kommunalpolitike - die Kollegen im Bundestag, also die Bundestagsabgeordneten, einmal an die Arbeit schicken, um die ruhende Vermögenssteuer wieder zu erheben.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Hm, ich glaube die Vermögenssteuer wird es nicht retten da ist nichts mehr übrig, so oft wie die hier bei der TAZ für alles Verwendung findet ;-)

      • @AuchNeMeinung:

        Alleine die Reichsten 3900 Personen (die also mehr als 100 Mill. € an Vermögen haben) besitzen zusammen 3000 Mrd. An Vermögen. Nur 5% davon sind 150 Mrd. €. Davon kann alles bezahlt werden, was hier in der TAZ mal angefacht wurde. Und noch viel viel mehr.