Rekrutierung von Islamisten in London: Grüße aus Whitechapel

Die Identität des Mörders des US-Journalisten James Foley scheint bekannt. Er stammt aus der Umgebung der Dschihadisten in London.

Junge Muslime in London fordern die Freilassung eines Imams Bild: afp

LONDON taz | Ein Kriegsjournalist im orangen Guantanamo-Anzug vor seiner Hinrichtung. Der Mann mit schwarzer Tarnkappe und Gewand neben ihm gibt sich als Urteilsvollstrecker aus. Er übermittelt eine Botschaft an US-Präsident Barack Obama, mit der er seine Gräueltat rechtfertigten will. Sein Akzent weist auf das Londoner Cockney-Englisch hin, die Sprache von Menschen, die in London aufgewachsenen sind und die nicht dazu gezwungen wurden, sich das „gehobenere“ Queens-English anzueignen.

Der Guardian will sogar wissen, dass ihn ehemalige Geiseln als „John“, wiedererkannten, der auch sie gefangen hielt. Und die Sunday Times berichtet am Sonntag unter Berufung auf Regierungsquellen, dass der Mörder des US-Journalisten identifiziert sei. Demnach soll es sich um einen 23-Jährigen aus London handeln. Der Mann habe vor kurzem über Twitter ein Bild von sich verbreitet, auf dem er einen abgetrennten Kopf hochhält, heißt es in dem Bericht.

Erst letzte Woche sah man einen ehemaligen Rapper – Abdel-Majed Abdel Bary, 23 – aus Nordlondon mit einem abgehackten Kopf in Syrien paradieren. Die Stimme bei der Hinrichtung James Foleys könnte seine gewesen sein. Der Sohn Adel Abdul Barys, 53, der mit den Kenia-Attentaten 1998 in Verbindung gebracht wurde, entkam den Behörden, trotz Reisesperre, mit dem Pass seines Bruders.

Es ist für die Sicherheitsbehörden unstrittig, dass es eine Vielzahl von IS-Sympathisanten in Großbritannien gibt. Anfang August drückte ein Unbekannter in Londons Einkaufsherz Oxford Circus einer irakischen Ärztin ein Flugblatt in die Hand, welches das IS-Kalifat glorifizierte. Das Flugblatt stammt angeblich von Anhängern der inzwischen verbotenen Organisationen Islam4UK und Al-Muhajiroun, die von den Salafisten Anjem Choudary und dem inzwischen abgeschobenen Omar Bakri Muhammad gegründet wurden. Ihre Ideen wurden zuletzt mit der Ermordung eines Soldaten in Woolwich in Verbindung gebracht. Michael Adebolajo, einer der zwei Attentäter, ist auf einem älteren Video zusammen mit Choudary zu sehen.

Die Opfer ihrer Predigen sind junge muslimische Männer. Die sammeln sich beispielsweise vor der Moschee in Whitechapel, Ostlondon, und fordern Prostituierte und Schwule auf abzuhauen, weil dies „eine muslimische Gegend sei“. Einige sind für diese provokativen Einsätze inzwischen hinter Gittern gelandet. Andere verteilen weiterhin Flugblätter oder lassen sich für Einsätze in Syrien rekrutieren. Zwischen 400 und 600 Briten sollen dort inzwischen mitkämpfen, darunter auch einige Frauen.

Street UK kümmert sich um die Jugendlichen

Doch viele glauben, dass Chodary vor allem eine publicitysüchtige Gestalt ist, die zu viel Aufmerksamkeit erhält. „Menschen wie Choudary reden immer vom Kalifat. Jetzt wo es angeblich eins gibt, sitzen sie trotzdem hier und schicken andere. Das ist scheinheilig“, schimpft Karmani. Alyas Karmani ist der Direktor von Street UK, einer preisgekrönten Organisation in Bradford, die sich mit dem Problem radikalisierter Jugendlicher auseinandersetzt. „Ich kann dafür bürgen, dass die von solchen Ideen betroffenen Jugendlichen nicht mehr als ein Prozent aller britischen Muslime repräsentieren. Die britisch-islamische Gemeinschaft steht klar zur Verurteilung der IS Verbrecher“, sagte er der taz.

Er gibt jedoch zu, dass es dennoch Probleme gibt. „Die Bilder von Drohnenattacken, dem Krieg gegen den Terror, oder jene aus Gaza machen es nicht einfach“, sagt er. Weil Moscheen meist über Politik schweigen, gehen neugierige Jugendliche in ihrer Position verunsichert ins Internet und auf private Chatforen. Während man früher gerade mal ein Video auf einer DVD aus einem bestimmten Buchladen erhielt, können heute Tausende von traumatisierenden Videos zu Hause angesehen werden, zusammen mit Islam verfälschenden Ideen.

Karmani ist selber ein Iman und findet, dass die Jugendlichen oft nicht genug über den Koran wüssten und somit Opfer der Botschaften von Extremisten werden. Er und seine Mitarbeiter gehen deshalb in Schulen, Moscheen und in die Chatforen, um Jugendliche davon abzuhalten, bald in Syrien oder Irak zu landen. „Die Radikalisierung über das Internet betrifft übrigens nicht nur muslimische Jugendliche, sondern Jugendliche jeglicher Überzeugung.“

Etwa 20 Prozent der Männer, mit denen Karmani arbeitet, sind englische Rechtsextremisten. Wer meint, die Regierung in Westminster unterstütze solche Programme, irrt. Als die konservativ-liberaldemokratische Koalition an die Regierung kam, wurden die meisten Interventionsprogramme wie Street UK gestrichen.

Laut Scotland Yard sind dagegen die Kontrollen an den Grenzen Großbritanniens verschärft worden, um junge Menschen zu schützen. Man setze vor allem auf „Informationen von Freunden und Familien von Gefährdeten“. Zusätzlich verkündete Innenministerin Theresa May, dass sie beabsichtige, Ausgangssperren und Überwachung für Menschen zu verschärfen. Auch will May nochmal die Maßnahmen einer von Premier Cameron im Dezember geschaffenen Einsatzgruppe bezüglich Radikalisierung und Extremismus überprüfen. Das Problem des Extremismus soll primär mit Hilfe des britischen Überwachungsstaates gelöst werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.