Religion: Freiheit des Kopftuches

Die Grünen luden zur Diskussion über "Das Kopftuch, die Selbstbestimmung und die Grenzen der Toleranz" - es wurde ein Schlagabtausch

Ist das Kopftuch ein Symbol der Frauenunterdrückung oder ein modisches Kleidungsstück, das zu tragen zum Persönlichkeitsrecht jeder Frau gehört? Das ist die Frage. Der Kultursaal der Arbeitnehmerkammer war bis auf den letzten Platz voll, als die Grünen diese alte Debatte neu aufwarfen. Der Anlass: Noch in diesem Jahr soll es ein neues Bundesverfassungserichtsurteil zu der Frage geben, ob Lehrerinnen es im Unterricht tragen dürfen. Die Grünen wollen das pauschale Kopftuchverbot im Bremer Schulgesetz durch eine Einzelfall-Gesinnungsprüfung ersetzen.

Anstelle eines Gedankenaustausches gab es aber einen Schlagabtausch. Warum ist es so schwierig, miteinander über das Thema zu reden? Für die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Zarah Mohammadzadeh ist der Passus des Bremer Schulgesetzes, der einer Lehrerin das Tragen des Kopftuches untersagt, nur eine Facette der Diskriminierung islamischer Frauen insgesamt – und das kann man nicht kontrovers bereden, darüber kann man nur erzürnt sein.

Fünf weitgehend gleich gesinnte VertreterInnen saßen auf dem Podium und erklärten diese Position über eine Stunde lang, auch das war keine Grundlage für eine Diskussion, in der unterschiedliche Argumente respektiert werden sollen.

Kübra Gümüsay war eine von ihnen, die redegewandte Bloggerin (und taz-Kolumnistin). Sie erklärte das Kopftuch schlicht zu einem Kleidungsstück vergleichbar dem grünen Rock einer Besucherin, „ein Stück Stoff“. Wenn das aber so ist, dann gibt es keinen Grund, warum Lehrerinnen das Stück Stoff nicht in der Schule für ein paar Stunden abnehmen sollen – genauso wie man beim Betreten eines Gotteshauses gegebenenfalls ein zusätzliches Stück Stoff anlegt oder nicht in kurzen Hosen ins Casino gehen darf. Dass christliche Nonnen nicht im vollen Ornat als Lehrerinnen vor eine Klasse treten dürfen, ist in Bremen eine demokratische, laizistische Errungenschaft aus den 1920er Jahren. Niemand verbietet in Deutschland generell das Tragen eines Kopftuches – welche Haltung aber dazu führen kann, es um keinen Preis für ein paar Stunden abzulegen, das erklärte niemand an diesem Abend. Eine Frage der Mode ist das jedenfalls nicht.

Hermann Kuhn, der Grünen-Vorsitzende, verglich das Kopftuch-Verbot mit den Berufsverboten der 1970er Jahre, er war damals davon selbst betroffen. Der Vergleich hinkt aber gewaltig - passen würde er nur, wenn sich damals das Verbot darauf beschränkt hätte, dass niemand im rotem T-Shirt mitHammer und Sichel darauf unterrichten sollte.

Ulrike Hauffe, Bremens Frauenbeauftragte, kritisierte die grüne Position, aber ihr Argument ging in der aufgeheizten Redeschlacht vollkommen unter: Es gehe nicht um die Gesinnung der Lehrerin, sagte sie, sondern um die Wirkung, die ein pädagogisches Vorbild auf Schülerinnen hat, die mit dem Kopftuch ganz andere Assoziationen verbinden als die Lehrerin möglicherweise denkt.

„Rechtschaffene Frauen sollen gehorsam, treu und verschwiegen sein“, heißt es in der Sure 4,34. Es kommen muslimische Kinder in die Schule, in deren Familien solche Frauen verachtenden Textstellen als Offenbarung gelesen werden. Das geht bis dahin, berichtete der Lehrer Wolfram Stein, dass in einer Diskussionsveranstaltung an seiner Schule eine aus Gründen der islamischen Ehre ermordete junge Frau in Zwischenrufen als „Schlampe“ bezeichnet wurde.

Die Rechtswissenschaftlerin Kirsten Wiese hatte zu Beginn der Diskussion die Position der Grünen erläutert. Einerseits gehe es um die Religionsfreiheit, erklärte sie den Rechtskonflikt, aber gleichzeitig habe die Schule den Auftrag, Jugendliche im Sinne der Menschenwürde und damit der Gleichberechtigung der Frau zu erziehen. Ob eine Lehrerin davon überzeugt ist, ist die eine Frage. Die andere ist, wie das Kopftuch auf Schülerinnen wirkt, die „zur Unterwerfung erzogen“ wurden.

Aber auch das verdeutlichte diese Diskussion: Es gibt zunehmend gebildete junge Frauen islamischen Glaubens, die selbstbewusst auftreten und dennoch das „Stück Stoff“ nicht einmal für ein paar Stunden ablegen wollen.

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