Renate Künast über die Quote: „Frauen müssen Machtfragen stellen“

Grünen-Politikerin Renate Künast über den Schub, den die Quote bringen würde, Widersprüche und Vorurteile, eiskalte Frauen und Kaminzimmergespräche.

Und am Ende gehen die Männer allein ins Kaminzimmer. Bild: neophoto / photocase.com

taz: Frau Künast, die Piraten behaupten, man sehe an den Grünen, dass die Quote nichts bringt. Sie ändere an den Strukturen in den Köpfen, an der Geschlechtergerechtigkeit nichts.

Renate Künast: Zu denken, man brauche keine Quote, nur weil diese nicht alle Probleme löst, ist zu kurzsichtig. Richtig ist: Die Quote allein reicht nicht aus, wir brauchen auch noch andere Möglichkeiten, Frauen den Weg frei zu machen.

Sie selbst haben die Quote auch schon kritisch betrachtet: Als Rot-Grün an die Regierung kam, schrieben Sie im Spiegel: Die Frauen sitzen im Quotengefängnis und die Männer machen dahinter weiter, was sie wollen.

Da meinte ich genau das: Nur auf die Quote zu schielen, kann auch einengen. Die Hälfte aller Stühle zu besetzen reicht nicht – Frauen müssen auch Machtfragen stellen. Ich hatte, als ich den Text schrieb, gerade bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen gesehen, wie irgendwann Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine, Jürgen Trittin und Joschka Fischer in einem kleinen Kaminzimmer verschwanden und die entscheidenden Fragen klärten, trotz quotierter Verhandlungskommission.

Das heißt, die Quote kann Frauen auch etwas lahm machen, was die Machtfrage angeht? Man hat eine Funktion und ist zufrieden?

Jedenfalls muss man sich dann nicht wundern, wenn andere im Kaminzimmer verschwinden. Frauen müssen manchmal noch strategischer werden: Vor der Verhandlung Ziele definieren und mit anderen reden, sich Mehrheiten besorgen.

56, ist Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. Von 2001 bis 2005 war die Sozialarbeiterin und Juristin Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. 2010 verkündete sie ihre Kandidatur für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin in Berlin. Bei der Wahl 2011 erreichten die Grünen nur den dritten Platz. Klaus Wowereit blieb Bürgermeister.

Wie können Frauen sich das aneignen?

Wir haben Mentoring- und Traineeprogramme. Die gehen mittlerweile über Frauen hinaus, da nehmen auch Männer teil. Wir Frauen treffen uns regelmäßig und überlegen uns, was wir erreichen wollen und auf welchem Weg wir das schaffen.

Frauen müssen Macht wollen, schrieben Sie in Ihrem Text.

Ja, und wir stoßen immer noch auf das Problem, dass Frauen, die Macht ausüben, „eiskalt“ genannt werden. Während Männer, die mit denselben Methoden ihre Macht sichern, als kompetent gelten.

Was können Frauen dagegen tun, dass sie mit Stereotypen bedacht werden?

Laut und deutlich sagen, was gerade passiert. Die Widersprüche und Vorurteile offenlegen.

Die Piraten wollen keine Quote, die Frauen auf ihr Geschlecht reduziert. Sie wollen dagegen anonyme Bewerbungen. Ist das eine schlaue Strategie?

Auch hier gilt: Das ist gut, reicht aber noch nicht. Denn anonyme Bewerbungen lösen nicht das Problem. Danach kommt das Bewerbungsgespräch und da können die Vorurteile voll durchschlagen. Eine Quote schafft den Schub, den wir brauchen, um verkrustete Strukturen zu verändern. Wenn das flankiert wird durch eine bessere Kinderbetreuung, wäre das ein echter Durchbruch.

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