Rente für Hinterbliebene von NS-Opfer: Auf 600 Euro Beihilfe geeinigt

Die Witwe eines Auschwitz-Überlebenden hatte auf die Zahlung einer Hinterbliebenenrente geklagt. Nach drei Jahren hat sich nun das Land NRW mit ihr geeinigt.

Wenigstens eine Beihilfe gibt es für die Witwe Eva B. Bild: Wolf Schmidt

DÜSSELDORF taz | Etwa eine Stunde dauerte die Verhandlung vor der 27. Zivilkammer des Düsseldorfer Landgerichts. Dann war endlich die Einigung gefunden. Mehr als drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes bekommt Eva B. nun doch noch die ihr bisher vom Land Nordrhein-Westfalen verweigerte finanzielle Unterstützung.

Die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf sagte am Dienstag der KZ-Opfer-Witwe eine lebenslange Beihilfe von 600 Euro im Monat zu. Damit folgte die Behörde dem Vorschlag des Gerichts, das eindringlich für eine solche „eigentlich vernünftige Regelung“ geworben hatte.

Der 1924 im westfälischen Herne geborene Anton B., Eva B.s Ehemann, war im März 1943 als „Zigeuner“ von der Gestapo verhaftet und ins KZ Auschwitz deportiert worden. Im April 1944 kam er ins KZ Buchenwald. Als ihn ein Jahr später die US-Armee aus der Sklavenarbeit im KZ Mittelbau-Dora befreite, waren sein Vater, seine zehn Geschwister und deren Kinder von den Nazis ermordet worden. Nur seine Mutter war noch am Leben.

Und Anton B. war gesundheitlich ruiniert. Ein medizinischer Gutachter attestierte ihm 1957 eine „Kopfneuralgie“, eine „Übererregbarkeit des vegetativen Nervensystems“ sowie „Störungen des Herzgefäßkreislaufes mit Herzmuskelfunktionsbeeinträchtigung erheblichen Ausmaßes“. Aufgrund dieser Befunde bezog Anton B. eine Opferrente. Auf zunächst 40, später 70 Prozent wurde die „verfolgungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit“ festgesetzt.

Am 8. Februar 2009 starb Anton B. – zwei Wochen nach einer Herzschrittmacher-Operation. Daraufhin beantragte seine Witwe eine Hinterbliebenenrente nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Doch die zuständige Düsseldorfer Bezirksregierung lehnte ab.

Die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass der Tod von Anton B. auf einer durch die Verfolgung beruhenden Schädigung seines Körpers oder seiner Gesundheit beruhe. Zwar habe er zweifellos „starke vegetative und psychische Beschwerden“ davongetragen, so ein Gutachter, aber bereits die Anerkennung des Herzleidens als „verfolgungsbedingt“ sei eine „Falschanerkenntnis“ gewesen.

Nach Jahren einem Vergleich zugestimmt

Wäre Eva B. die Witwe eines ehemaligen Wehrmachtssoldaten oder eines SS-Angehörigen, hätte sie keine Probleme gehabt: Dann hätte für sie das Bundesversorgungsgesetz (BVG) gegolten, nach dem eine einmal anerkannte Schädigung des Verstorbenen im Nachhinein nicht wieder infrage gestellt werden kann. So jedoch blieb ihr nichts anderes übrig, als zu klagen.

Nach jahrelangem Hin und Her hat jetzt die Bezirksregierung auf Drängen des Gerichts einem Vergleich zugestimmt. Sie wird zwar weiterhin keine Hinterbliebenenrente zahlen, jedoch eine im BEG ebenfalls vorgesehene Beihilfe: Statt der geforderten rund 900 Euro bekommt Eva B. nun monatlich 600 Euro, rückwirkend ab 1. März 2009. Falls gesetzlich möglich, übernimmt die Behörde auch die künftigen Kosten ihrer Krankenversorgung. Ein größeres Entgegenkommen sei aufgrund der geltenden Rechtslage „bedauerlicherweise nicht möglich“, sagte die Düsseldorfer Regierungspräsidentin Anne Lütkes (Grüne), die die Bezirksregierung vor Gericht vertrat.

„Dieser aktuelle Fall zeigt, dass die Rechtslage derzeit in mancher Hinsicht nicht gerecht ist“, sagte die frühere Justizministerin Schleswig-Holsteins. Notwendig sei eine „bundesweite politische Debatte zu einer Reform des Gesetzes“.

Eva B., die nicht bei der Verhandlung anwesend war, hat nun drei Wochen Zeit, die Vereinbarung zu prüfen und gegebenenfalls zu widerrufen. Doch damit ist nicht zu rechnen. Sie werde „sicher den Vergleich begrüßen“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose. Er hoffe jedoch, das die Behörden in Angelegenheiten der Hinterbliebenen von KZ-Opfern „künftig andere Maßstäbe“ anlegten. „Die Berücksichtigung eines Verfolgungsschicksals muss im Vordergrund stehen“, forderte Rose.

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