Rentengesetz der Bundesregierung: Schneller als die IT erlaubt
Der große Renten-Wurf steht noch aus. Eine Mini-Reform ist aber schon mal durchs Kabinett. Bei der Mütterrente bringt sie Bürokratie-Gefahr mit sich.

Laut einer Beispielrechnung des Arbeits- und Sozialministeriums wird durch die Haltelinie eine Rentnerin, der im Jahr 2031 eigentlich nur 1.500 Euro im Monat zustünden, 35 Euro mehr bekommen.
Die Beiträge, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen, sollen dadurch aber nicht steigen: Die Zusatzkosten werden aus dem Bundeshaushalt gedeckt. Sie werden laut einer Schätzung der Regierung schrittweise auf über 11 Milliarden Euro pro Jahr steigen.
Auch die Ausweitung der Mütterrente ist Teil des Gesetzesentwurfs. Demnach sollen Müttern (oder Vätern) bei der Rente künftig für jedes Kind drei Kindererziehungsjahre angerechnet werden. Bislang gilt das nur für Kinder, die nach 1992 geboren wurden. Für einzelne Rentnerinnen macht die Änderung einen Unterschied von rund 20 Euro pro Kind und Monat, für den Bundeshaushalt von rund 5 Milliarden Euro im Jahr.
Warnungen vor Frühstart
Die Ausweitung war auf Druck der CSU in den Koalitionsvertrag gekommen und wurde nach einem Beschluss des Koalitionsausschusses aus dem Juli auch noch um ein Jahr vorgezogen. Ursprünglich sah der Gesetzesentwurf vor, dass die Ausweitung 2028 in Kraft tritt. Jetzt soll sie aber schon 2027 gelten.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte vor dem früheren Start gewarnt. Sie muss eigenen Angaben zufolge erst mal „umfassende Anpassungen der IT-Systeme“ vornehmen, erklärte sie im Juli. Mehr als 10 Millionen Renten müssten umständlich neu berechnet werden. Vor 2028 könne sie die höheren Mütterrenten nicht auszahlen.
Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums kündigte auf Nachfrage am Mittwoch an, dass dem nun beschlossenen Gesetzesentwurf zufolge die höhere Mütterrente für das erste Jahr rückwirkend ausgezahlt werden soll – also im Jahr 2028 für das Jahr 2027. Damit sei die Kritik berücksichtigt.
Alles noch komplizierter
Die Rentenversicherung hatte vorab aber auch schon vor diesem Modell gewarnt. „Die Komplexität des Verfahrens wird sich auf jeden Fall weiter erhöhen“, hieß es von der Rentenversicherung. Mehraufwand würde auch bei anderen Trägern von Sozialleistungen entstehen. Wer rückwirkend 20 Euro mehr Rente bekommt, könnte dadurch zum Beispiel auch rückwirkend seinen Anspruch auf Wohngeld verlieren, sodass dann auch Wohngeldstellen noch mal rechnen müssten.
In einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf hatte auch der DGB davon abgeraten, die Ausweitung vorzuziehen und die Erhöhung nachträglich auszuzahlen: Der Schritt würde die Umsetzung „zusätzlich verkomplizieren, Verwaltungsaufwand und -kosten deutlich erhöhen und potenziell den Auszahlungsbeginn sogar noch weiter verzögern“, hieß es vom Gewerkschaftsbund.
Während die Regierung diese Warnungen ignoriert und sich bei der Mütterrente beeilt, sind Schritte zu einer nachhaltigen Reform des Rentensystems noch nicht in Sicht. Im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Rot vereinbart, eine Kommission einzusetzen, die über die Zukunft der Alterssicherung in der alternden Gesellschaft beraten soll. Einen offiziellen Starttermin gibt es bislang nicht.
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