Rentenstreit in der Union: Linke macht den Weg fürs Rentenpaket frei
Über die Anzahl der Abweichler in der Union wird noch gerätselt. Klar ist jetzt: Es können mehr sein, ohne das Rentenpaket zu gefährden.
Die Union macht es spannend. Anders als erwartet teilte ihre Fraktionsführung am Mittwoch nicht mit, wie viele Abgeordnete sich bei ihr gemeldet haben. Bis 12 Uhr sollten dies diejenigen tun, die am Freitag bei der finalen Abstimmung über das Rentenpaket mit Nein stimmen wollen. Bis zum Nachmittag wurde die Zahl nicht bekannt. Sie ist von Bedeutung, weil die schwarz-rote Koalition nur eine Mehrheit von 12 Stimmen hat. Inzwischen geht es bei dem Gezerre in der Union schließlich nicht mehr um eine Sach-, sondern um eine Machtfrage. Und um die Zukunft der Koalition.
Schon eine Testabstimmung in der Fraktion am Dienstag hatte nur wenig zur Erhellung beigetragen. Weil dort nur mit Handzeichen und sehr schnell abgestimmt wurde und niemand das Ergebnis offiziell auszählte, kursierten danach unterschiedliche Zahlen. Die meisten sprachen von 10 bis 20 Nein-Stimmen und einer Handvoll Enthaltungen. Ein Nein dort heißt zudem noch lange nicht, dass man am Freitag auch so stimmt.
Deutlich mehr zur Aufklärung trug die Linksfraktion bei. Sie kündigte an, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Es müsse Schluss mit den Machtspielchen der Union auf dem Rücken der Rentner*innen sein, sagte Fraktionschefin Heidi Reichinnek. Und: „Bei einem Rentenniveau von 48 Prozent eine Haltelinie zu ziehen, ist wirklich das absolute Minimum.“ Dies sieht der Gesetzentwurf unter anderem vor.
Weil bei der Abstimmung die einfache Mehrheit gebraucht wird, entspannt das die Lage für die Koalition: Sollten sich alle 64 Linke-Abgeordneten enthalten, gäbe es plötzlich einen Puffer von 44 Stimmen. Allerdings wird man in der Union darauf drängen, dass die eigene Mehrheit steht. Von der Linken abhängig sein will man lieber nicht.
Weitere Hürde genommen
Eine Hürde nahm das Rentenpaket am Mittwoch: Es passierte den zuständigen Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestags mit den Stimmen der Koalition. Die Linken haben sich laut Teilnehmern enthalten, die Grünen und die AfD dagegen gestimmt. Johannes Winkel und Pascal Reddig, die Wortführer der rebellischen jungen Unionsabgeordneten, eigentlich Mitglieder im Ausschuss, hätten nicht mitgestimmt. Anders als im Plenum stimmen die Fraktionen im Ausschuss als Block ab.
Am Freitag im Plenum ist eine namentliche Abstimmung vorgesehen. Winkel, auch Vorsitzender der Jungen Union, hatte bereits am Montag angekündigt, dort gegen den Entwurf zu stimmen, von Reddig wird das Gleiche erwartet. Für Wirbel sorgte am Mittwoch auch, dass anders als bislang geplant der ergänzende Entschließungsantrag zum Rentenpaket am Freitag nun doch nicht im Bundestag verabschiedet werden soll.
Wie die taz aus der SPD erfuhr, geschieht dies auf Betreiben der Union. Dem Vernehmen nach soll der einflussreiche Parlamentskreis Mittelstand sich dafür starkgemacht haben. Ihm gefalle nicht, dass die Rentenkommission auch prüfen soll, ob auch andere Einkommensarten bei der Berechnung der Rentenbeiträge berücksichtigt werden.
Aus der Unionsfraktionsführung hieß es dagegen, dass eine Beschlussfassung des Bundestages schlicht nicht gebraucht werde, weil ohnehin das Kabinett die Rentenkommission einsetze und deren Auftrag so aussehen soll, wie es der Koalitionsausschuss letzte Woche festgelegt hat – und so wie es im Entschließungsantrag stehen sollte. Eigentlich war dieser ein Entgegenkommen an die Junge Gruppe gewesen, der man zudem einen Sitz in der Kommission zugesagt hat.
Im Antrag waren zahlreiche Forderungen der Jungen Gruppe aufgenommen, aber als reine Prüfaufträge an die Kommission. Dennoch war der Unmut groß, auch weil manche Mitglieder der Jungen Gruppe aus Medienberichten von der Entscheidung erfuhren. Aus der Fraktionsführung hieß es, im Fraktionsvorstand am Montag habe es keinen Widerspruch zu der Entscheidung gegeben. Reddig gehört dem Gremium an.
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